Nachte des Sturms
wie zu den Zeiten, in denen sie sich um ein neues Spielzeug oder das letzte Plätzchen in der Dose gebalgt hatten.
»Will ich Shawn? O ja. Ich bin mir noch nicht über alles ganz im Klaren, aber ich kann nicht leugnen, dass ich ihn begehre. Und ich stehe dir hier gegenüber, und sage dir von Frau zu Frau, dass er mich ebenfalls begehrt. Dass ich
dich damit unglücklich mache, tut mir wirklich Leid, aber für dich hegt er ganz einfach keine derartigen Gefühle.«
Mary Kate reckte das Kinn, und Brenna dachte, dass sie unter diesen Umständen an ihrer Stelle genauso reagiert hätte. »Wenn er nicht schon dich hätte, um sein Bett zu wärmen, könnte er diese Gefühle durchaus noch entwickeln.«
Obgleich diese Worte sie wie ein Fausthieb trafen, nickte Brenna. »Tatsache ist aber nun mal, dass ich mit ihm schlafe. Und ich werde sein Bett nicht verlassen, um Platz für dich zu machen. Gestern hätte ich es vielleicht noch getan, weil ich es einfach nicht ertragen konnte, dich derart verletzt zu sehen und zu wissen, dass ich diese Verletztheit mit verursacht hatte. Aber wenn ich dich ansehe, bei Tageslicht, mit völlig klarem Kopf, dann kann ich sehen, dass du nicht mehr verletzt bist, sondern nur noch wütend.«
»Woher willst du wissen, was ich für ihn empfinde?«
»Ich weiß es nicht. Also sag es mir doch einfach.«
Mary Kate warf ihren Kopf nach hinten, sodass ihre Haare in der frischen Brise wehten. »Ich liebe ihn.« Dies war eine leidenschaftliche und beinahe rührend dramatische Erklärung. Brenna musste ihrer Schwester dafür die volle Punktzahl geben, da sie wusste, dass sie selbst diese Worte niemals so beeindruckend herausgebracht hätte.
»Und warum?«
»Weil er hübsch, sensibel und warmherzig ist.«
»Ja, das stimmt – genauso wie der Hund der Clooneys. Und was ist mit seinen Fehlern?«
»Er hat keine.«
»Natürlich hat er welche.« Diese Tatsache beruhigte Brennas Nerven und machte sie seltsam sentimental. »Er ist starrsinnig, ungeheuer langsam und ziemlich häufig völlig geistesabwesend. Es gibt Augenblicke, in denen
man etwas zu ihm sagt und ebenso gut ganz einfach mit sich sprechen könnte, da er in Gedanken ganz woanders ist. Er hat nicht den geringsten Ehrgeiz und braucht jemanden, der ihm in den Hintern tritt, damit er sich überhaupt bewegt.«
»So siehst du ihn.«
»Ich sehe ihn so, wie er ist. Er ist kein Märchenprinz aus irgendeinem Buch. Mary Kate!« Sie trat einen Schritt nach vorn, obgleich sie wusste, dass es noch zu früh war, ihrer Schwester die Hand zur endgültigen Versöhnung anzubieten. »Lass uns beide doch bitte ehrlich zueinander sein. Etwas an seinem Aussehen, etwas an seinem Auftreten zieht die Frauen beinahe magisch an. Ich kann durchaus verstehen, dass du ihn begehrst. Schließlich habe ich selbst ihn schon begehrt, als ich so alt war wie Alice Mae.«
Katies Augen blitzten auf. »Das glaube ich dir nicht. Du bist ganz einfach nicht der Typ, der so lange auf irgendetwas wartet.«
»Ich dachte, ich käme darüber hinweg. Und außerdem hatte ich Angst, mich lächerlich zu machen.« Brenna schob sich die Haare aus der Stirn und wünschte sich, sie hätte sie, ehe sie sich auf den Weg zu den Klippen gemacht hatte, zu einem Pferdeschwanz gebunden. »Aber am Ende wurde aus dem Begehren unbezwingbares Verlangen.«
»Du liebst ihn nicht.«
»Ich denke, vielleicht doch.« Sobald diese Worte heraus waren, presste Brenna eine Hand gegen ihr Herz, als hätte ihr jemand genau dort einen Stich versetzt. »Ich denke, vielleicht doch«, sagte sie noch einmal und sank matt auf die Knie. »Oh, großer Gott, was soll ich nur machen?«
Mary Kate starrte die Schwester mit großen Augen an. Brenna war plötzlich kreidebleich geworden, wiegte sich auf ihren Knien und hielt sich die Brust, als hätte sie soeben
einen Herzanfall erlitten. »Hör auf! Du schauspielerst doch nur.«
»Nein. Ich kann nicht. Ich kriege ganz einfach keine Luft mehr.«
Argwöhnisch trat Mary Kate ein wenig näher und schlug ihr kraftvoll auf den Rücken. »So.«
Brenna atmete keuchend aus und pfeifend wieder ein. »Danke.« Sie erhob sich schwach auf ihre Fersen. »Ich kann damit einfach nicht umgehen, zumindest nicht ausgerechnet jetzt. Das kann auch niemand von mir erwarten. Es war auch so schon schlimm genug, aber das hier ist der Gipfel. Es ist vollkommen unmöglich. Das hier macht nichts besser, sondern verlagert einfach den Schwerpunkt dieses ganzen lächerlichen Dramas. Ach, verdammt!«
Da
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