Nachte des Sturms
inzwischen glaube zu verstehen, was Sie mir damals sagen wollten. Ich habe mir das Lied, von dem Sie sprachen, genau angehört, und ich hoffe, ich habe das Richtige getan.«
Sie verstummte, und wieder bekam sie keine Antwort.
»Nun, Sie sind mir wirklich eine großartige Hilfe.« Wütend ging sie die Treppe hinauf in Richtung Schlafzimmer.
Sie brauchte keine Geister und keine Worte aus dem Jenseits, die ihr sagten, was sie wie tun sollte. Sie hatte einen
Mann, und sie hatte die Absicht, ihn auch zu behalten. Seit sie sich dessen bewusst geworden war, ging es nur noch um Details.
Auch oben entfachte sie ein Feuer, zündete zwei Kerzen an, warf sich auf das Bett und schob sich die Kissen in den Rücken, um auf Shawn zu warten.
Doch die Arbeit des Tages forderte bald ihren Tribut.
Wind und Regen hatten sich gelegt. Der Himmel sah aus wie schwarze, mit rubinroten, saphirgrünen und zitringelben Sternen übersäte Seide. Der volle, weiße Mond segelte hoch über dem samtig ruhigen Meer.
Die Flügel des weißen Pferdes schlugen so regelmäßig wie ein Herz. Auf seinem Rücken saß kerzengerade ein in Silber gekleideter Mann, dessen dunkle Mähne wie ein weicher Umhang um seine Schultern fiel.
»Sie wollte weder Reichtum noch Ansehen noch Unsterblichkeit von mir.«
Es erschien Brenna nicht im Geringsten seltsam, dass sie zusammen mit dem Feenprinzen durch den Himmel über Irland ritt. »Was wollte Sie denn dann?«
»Versprechen, Schwüre, von Herzen kommende Worte. Weshalb bringen manche Wesen die Worte ›Ich liebe dich‹ nur so schwer über die Lippen?«
»Weil sie einen verletzbar machen.«
Er drehte sich zu ihr um, und seine Stimme klang verbittert, als er sagte: »Ja, genau. Diese Worte auszusprechen, erfordert großen Mut, nicht wahr, Mary Brenna O’Toole?«
»Oder aber Tollkühnheit.«
»Wenn Liebe uns nicht toll macht, was denn bitte dann?«
Das Pferd schoss mit einer derartigen Geschwindigkeit
in Richtung Erde, dass ihr Herz vor Aufregung pochte. Sie sah die Umrisse des Cottages auf dem Feenhügel und das Licht hinter dem Fenster.
Die Hufe des Pferdes ließen Funken sprühen, als sie den Boden berührten.
»Ein bescheidener Ort«, murmelte Carrick. »Wenn man bedenkt, welche Dramen sich hier schon abgespielt haben. Da, der hübsche Gartenzaun. Ebenso gut könnte er die Mauer einer Festung sein, denn ich kann ihn nicht passieren.«
»Manchmal ist deine Geliebte auch auf den Klippen.«
»Das sagte man mir schon, aber wir können einander selbst dann nicht sehen, wenn wir direkt nebeneinander stehen.«
Die Bitterkeit in seiner Stimme war echtem Leid gewichen. Und, so dachte Brenna, einem schmerzlichen Verlangen.
»Manchmal spüre ich sie oder erhasche den Duft ihres Haares oder ihrer Haut. Aber nicht einmal in dreihundert Jahren habe ich sie sehen oder berühren oder mit ihr sprechen können.«
»Du hast euch beide mit einem schlimmen Bann belegt«, erwiderte Brenna.
»Ja, das stimmt, und für diesen Augenblick des Jähzorns habe ich teuer bezahlt. Du weißt, wie diese Dinge sind.«
»Allerdings. Aber glücklicherweise verfüge ich nicht über die Macht, mich oder andere zu verfluchen.«
»Ihr Sterblichen!« Seine Miene wurde weich. »Ihr habt ja keine Ahnung von der Macht, die ihr besitzt, und deshalb geht ihr mit dem, was ihr habt, erschreckend achtlos um.«
»Das musst gerade du mir sagen.«
»Da hast du vielleicht Recht.« Er nickte mit dem Kopf. »Aber das, was sich zwischen Gwen und mir anbahnte,
hatte nichts mit Magie zu tun. Auch wenn manche es behaupten, habe ich sie weder verzaubert noch mit irgendwelchen Tricks zu mir gelockt. Sie kam freiwillig zu mir, bis ihr Vater es verbot. Bis er sie aus lauter Furcht vor mir einem anderen versprach.«
»Das glaube ich dir.« Sie legte tröstlich eine Hand auf seinen Arm. »Ein junges Mädchen hatte damals in diesen Dingen nicht allzu viel zu sagen.«
Carrick schwang sein Bein über den Nacken des Pferdes und stieg behände ab. »Aber du kannst dich vollkommen frei entscheiden.«
»Das habe ich bereits getan.« Sie glitt ebenfalls vom Rücken des Pferdes und sah, dass er den Mund verzog. »Aber ich gehe in dieser Sache lieber meinen eigenen Weg.«
»Horch«, war alles, was er darauf sagte.
Die Musik, die mit einem Mal die Luft erfüllte, legte sich um sie wie ein seidig weiches Netz. »Das ist Shawn. Das ist das Lied, das ich von ihm habe. Oh!« Sie schloss die Augen. »Es geht einem wirklich zu Herzen. Ganz sicher gibt es in
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