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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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das Auto nehmen. Ich befürchtete, du würdest es wiedererkennen. Ich habe Hagan damals an dem Abend beobachtet. Ich wusste, dass er nach Dingen suchte, die ich ihn nicht finden lassen wollte. Ich wollte ein Auge auf ihn haben. Und dann bist du auf der Bildfläche erschienen.« Er kicherte wieder. »Du warst recht scharf drauf, oder? Aber er hat dich rausgeschmissen. Ich bin dir die Straße hoch gefolgt und sah dich an der Bushaltestelle. Da hab ich gedacht, ich könnte dich im Auto mitnehmen, könnte irgendwo hinfahren und dir geben, was du wolltest. Aber dann bist du zu Hagan zurückgelaufen, nicht?« Er packte sie an den Haaren und zog ihren Kopf nach hinten. »So war's doch?«
    Sie erinnerte sich an das Auto, das dunkle Auto, das in der Nähe von Lukes Wohnung aus einer Seitenstraße herausgekommen war. »Ich wusste nicht, dass du das warst«, sagte sie, und ihre Stimme versagte fast, so weh tat ihr das Sprechen. »Ich habe nicht …«
    Er ließ sie los. »Aber das macht nichts. Hagans Motorrad stand da, fahrbereit.« Er sah gereizt aus. »Ich habe ihn geschlagen, aber er ging nicht zu Boden. Er hat sich gewehrt. Blöder irischer Dickkopf. Mit 'nem steinharten Schädel. Aber am Ende ging er doch zu Boden. Tschüs, Hagan.« Beim Sprechen zog er, von der Erinnerung erregt, die Schlinge wieder fester zu. Er lächelte und strich zärtlich über ihren Körper. »Es ist also alles bestens ausgegangen.« Er lockerte die Schlaufe ein wenig und sagte: »Ich werde das Motorrad zurückbringen. Ich hab's nur ausgeliehen. Und sie werden Hagans Blut unter deinen Fingernägeln entdecken, wenn sie dich finden, und auch auf das Motorrad stoßen – das kaputtgefahren hinten im Schuppen liegt. Allzu genau werden sie nicht hinsehen.«
    Luke. Sie spürte Tränen über ihr Gesicht laufen und wusste, dass Weinen das Schlimmste war, was sie tun konnte, aber es gelang ihr nicht, es zu unterdrücken. Zur Angst kam die Sorge um Luke, und der Wille sich zu wehren, schwand. Er zerrte fester an der Schnur, und Sterne tanzten ihr vor den Augen, während der Druck wieder anstieg. Er würde zuziehen und lockern, zuziehen und lockern, wie er es bereits früher gemacht hatte. Er würde mit ihr spielen, sie mehrmals in Todesangst versetzen, um sich daran zu ergötzen. So musste er es mit Gemma gemacht haben. Sie versuchte, sich der Spannung der Schnur zu widersetzen, damit der Druck sich mehr verstärkte als ihm klar war, und er sie schnell erdrosselte. Sollte er doch seinen Spaß allein weitertreiben.
    Dunkelheit kam auf sie zu, und ihre Lunge brannte. Sie konnte es nicht vermeiden, dass sie sich zu wehren begann, da der Druck im Kopf und in ihrer Brust nicht mehr auszuhalten war. Plötzlich spürte sie Wärme, als ihre Blase sich entleerte, und hörte von weither sein schallendes Lachen. Dann war das Licht heller, es blitzte und pulsierte blau, und der Druck auf ihrem Hals war erst einmal weg, sie würgte, hustete und erbrach sich. Ihr Körper verkrampfte sich, die Autotür ging auf, und er verschwand in die Dunkelheit. Sie hörte Stimmen und Rufe, aber alles schien sehr weit weg zu sein, und das einzig Wichtige war, dass sie zu atmen versuchte. Um sich nicht an ihrem eigenen Erbrochenen zu verschlucken und Hals und Lunge freizubekommen, drehte sie sich um und hustete.
    Und jemand sagte: »Roz. Es ist schon gut, es ist alles in Ordnung, wir sind von der Polizei. Sie sind in Sicherheit.« Ihre Hände waren frei, und sie fiel aus dem Auto in die Arme der Frau, die gesprochen hatte. Das Licht blitzte immer noch blau, und zwischen all den Geräuschen, mitten im Chaos tauchte Seans Gesicht einen Augenblick drohend aus der Dunkelheit auf, und sie glaubte, sie würde wieder im Auto aufwachen und seine Stimme hören, aber das Gesicht verschwand, und die Frau stützte sie und zog sich mit einer Hand ihre Jacke aus, um sie Roz umzulegen, und sagte: »Sie sind in Sicherheit, wir haben ihn, es ist okay, er kann Ihnen nichts mehr tun.«
    Und dann dachte sie: Luke. Und alles wurde wieder dunkel.

22
    Der Mann, den sie aus Roz Bishops Wagen herauszogen, wehrte sich kurz, und gab dann den Kampf auf. Nach den obszönen Flüchen, die er den Polizisten bei der Verhaftung entgegenschrie, sagte er nichts mehr, aber seine Brieftasche enthielt Kreditkarten und einen Führerschein auf den Namen Sean Lewis. Er gab mit einem einzigen Kopfnicken zu, dass dies sein Name sei. Er schwieg weiter, bis Farnham ihm zwei Stunden später im Vernehmungsbüro versuchte

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