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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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voller Blut, sein Gesicht geschwollen und übel zugerichtet. Aber er war zu erkennen, konnte identifiziert werden, sagte der Beamte. Luke Hagan lag auf dem Boden des Schuppens, und sein Kopf war eine einzige blutige Wunde.
    Und dann schrie plötzlich jemand aufgeregt hinter ihr: »Das Handy ist aktiv, es ist an einem anderen Standort. Das letzte Mal war es in Glossop.«
    Der Snake Pass.
    Snake Pass
    Bei dem Stoßen und Rütteln fiel ihr Kopf von einer Seite zur anderen. Ihre Arme waren über den Kopf hochgezogen, sodass sie unmöglich den Nacken aufstützen konnte. Sie wusste nicht, wo sie war. Als sie die Arme zu bewegen versuchte, waren sie irgendwie festgebunden, und sie spürte das Zerren und Reiben eines Stricks. Ihr war schlecht, und ihr Kopf tat weh.
    Langsam fiel ihr alles wieder ein. Ihr Auto war stehen geblieben, und Luke war gekommen. Luke? Jemand hatte ihr einen Schlag versetzt, und sie erinnerte sich dunkel, dass sie mit dem Gesicht am Erdboden entlanggeschleift und dann hochgerissen wurde. Sie konnte zwar stehen, aber ihre Bewegungen nicht beherrschen, und sie hörte eine Stimme sagen: »Na, nutz doch deine Beine, du Luder. Weißt du nicht, wozu sie gut sind?« Und ihr Verstand sagte ihr Lauf weg, aber ihre Beine waren wie aus Gummi, das nachgab und willenlos durchhing, und die ganze Zeit flüsterte seine Stimme und beschimpfte sie, als er sie in den Wagen schaffte. »So, du Miststück, auf den Rücken.« Sie lag auf dem zurückgeklappten Beifahrersitz, die Hände hoch über dem Kopf an etwas festgebunden – an der Kopfstütze? Seine Stimme klang selbstbewusster und sein Kichern schadenfroh. »Du liegst schon zu lange auf dem Rücken.« Er strich mit der Hand an ihren Beinen auf und ab. »Aber die Beine breitmachen – das wirst du doch wohl können, oder?«
    Und das Auto fuhr wieder. Er musste es angeschoben haben, um es in Gang zu bringen, denn er lenkte es von der Straße weg und holperte über den unebenen und ausgefahrenen Erdboden, sodass ihr Nacken, der nirgendwo auflag, gestaucht wurde. Sie drehte den Kopf und sah aus dem Fenster. Dunkle Schatten ragten drohend in der Dunkelheit über ihr auf. Er steuerte das Auto in die alten Steinbrüche oder die vom Wasser ausgewaschenen Felsspalten abseits von der Straße, wo nicht die geringste Chance bestand, dass jemand vorbeikommen und merken könnte, was da passierte.
    Ihr Kopf wurde zusehends klarer. Das Gefühl verlor sich, dass ihr Körper nicht auf die Signale reagierte, die ihr Kopf ihm zusandte. Jetzt, wo es zu spät war, konnte sie sich wieder bewegen. Er hatte ihre Beine nicht zusammengebunden. Sie war nicht völlig hilflos und versuchte, sich nur darauf zu konzentrieren und das Entsetzen zu unterdrücken, das sie wieder zu überwältigen drohte. Er hatte seinen Helm abgenommen, aber es war zu dunkel, um den Mann sehen zu können. Sollte sie versuchen, nicht hinzusehen? Wenn sie nicht wusste, wer er war, würde er sie dann vielleicht gehen lassen?
    Sie wusste, dass es nicht Luke war. Aber dies zu wissen, war nur ein schwacher Trost. Sie hatte es von dem Moment an gewusst, als er so schnell auf sie zugelaufen kam, weil das nach Bedrohung und nicht nach Hilfe aussah. Ihr Unterbewusstsein hatte versucht, sie zu warnen, aber sie hatte zu langsam reagiert und war wie betäubt von der Verwirrung und dem entsetzlichen Gefühl, dass dies alles schon einmal geschehen war.
    Das Auto machte einen Ruck und hielt an. »So geht's«, sagte er, wandte sich um und sah sie an. Sein Gesicht lag im Dunkeln. Sie sah seine Hand zum Licht hochgreifen und schloss die Augen. Dann spürte sie seine Hand an ihrem Hals, er drückte nur leicht zu, aber das ließ den Druck in ihrem Kopf ansteigen. »Mach die Augen auf«, sagte er, und sein Atem hatte den scharfen Geruch der Erregung. Dann kicherte er. Sie öffnete die Augen. Er lehnte sich zu ihr hinüber, bis sein Gesicht nah über dem ihren war. Er wartete auf ihre Reaktion, lächelte dann und sagte: »Überraschung!«
    Ein junges Gesicht mit hellem Haar und einem leicht gereizten Gesichtsausdruck. Sie sah ihn noch vor sich, wie er mit schüchterner, schuldbewusster Miene vor ihrem Schreibtisch saß und sie gekränkt ansah, weil sie seine Einladung abgelehnt hatte: Sean Lewis.
    »Sean …«, sagte sie. Und dann gab es nichts mehr zu sagen. Ihr Bewusstsein schien sie wieder im Stich zu lassen.
    »Das ist wirklich cool«, sagte er. »Du wolltest nicht mit mir ausgehen. Du hättest Spaß mit mir haben können. Aber jetzt

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