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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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Schwall eisiger Luft durch die Tür hereinkam. Es war Roy Farnham. Als er sie sah, hielt er inne. »Lynne … ich wusste nicht …«
    »Ich habe gerade …«
    Sie hörten gleichzeitig auf zu sprechen und lachten, als sie sich beide mit den für solche Situationen typischen höflichen Floskeln wie »Zuerst Sie«, »Nein, nach Ihnen« entschuldigten. Er kam an den Tisch, wo sie gesessen hatte. »Sind Sie allein?«, fragte er.
    Sie sagte ihm, dass sie sich mit Marie getroffen hatte, und er schien sich dafür zu interessieren. »Ist was dabei rausgekommen?«
    »Ich weiß noch nicht.« Lynne musste das Ganze erst überdenken.
    »Sie hatten Recht mit der Angel-Internetseite«, sagte er. »Ich hab sie mir heute Früh angesehen. Die Seiten mit Jemima sind verschwunden.«
    »Ich hab sie runtergeladen«, sagte Lynne. »Sind Sie mit dem Internet-Service-Provider weitergekommen? Oder mit der Telefonnummer?«
    »Am ISP bin ich gerade dran«, sagte er. »Hatte bis jetzt noch kein Glück. Das Telefon ist nicht registriert. Wir können weder Namen noch Adresse herausbekommen. Ich habe jetzt Kontakt mit der Telefongesellschaft. Ich will die Unterlagen für diese Nummer, mal sehen, was da verzeichnet ist. Vielleicht kommen wir so an die Adresse ran.« Er dachte kurz nach. »Wie geht's bei Ihnen?«
    Lynne erzählte von ihrem Nachmittag, und dabei wurde ihr klar, dass sie nur sehr spärliche Informationen für ihn hatte. »Niemand hat sie erkannt«, schloss sie, »aber ich habe ein paar Leute, mit denen ich noch reden muss.« Sie zog das Foto von Jemima aus ihrer Tasche. »Ich wollte, ich wüsste, an wen sie mich erinnert«, sagte sie.
    Farnham warf einen Blick darauf. »Kommt mir nicht bekannt vor«, sagte er.
    Lynne berichtete ihm von dem Gespräch mit Matthew Pearse und Nasim Rafiq. »Meinen Sie, sie könnte etwas wissen?«, fragte er.
    Lynne war nicht sicher. »Vielleicht war sie auch nur nervös. Aber ich glaube, ich gehe noch mal hin.«
    Er nahm die Speisekarte vom Tisch und schaute hinein. »Eigentlich bin ich hergekommen, um etwas zu essen. Hatte keine Zeit zum Lunch. Wollen Sie auch was?«
    Es war eines der Berufsrisiken: verpasste oder eilig im Stehen eingenommene Mahlzeiten. Daraus wurde schnell eine Ernährung nur aus Fertiggerichten oder vom Lieferservice. Sie betrachtete die Speisekarte ohne große Begeisterung. Es war ein ganz normales Pub, das zu einer Kette gehörte. Es gab Pseudo-Gerichte europäischer Länder, asiatische Varianten, Verschiedenes, das in schwimmendem Fett ausgebacken wurde, und Pommes. Und sie wusste schon, was für Salate hier zu erwarten waren. Ein fader Kopfsalat mit Dressing aus kleinen Plastiktütchen wie Shampoo oder Duschgel. Sie traf schnell eine Entscheidung. »Ich habe zwar Hunger, aber auf das Zeug hier habe ich keinen Appetit. Gehen wir doch zum Italiener ein Stück weiter unten.« Eine stinknormale Pizzeria, aber besser als das, was das Pub zu bieten hatte.
    Er sah schnell zu ihr hinüber und betrachtete noch einmal die Speisekarte. »Hört sich gut an«, sagte er, leerte sein Glas, und sie gingen. Nach der Wärme im Pub fröstelte Lynne in der kalten Luft.
    Im Restaurant saßen nur ein paar frühe Gäste, und die Musik spielte leise. Als der Kellner zu ihnen herübereilte und die Kerze auf ihrem Tisch anzündete, fragte sich Lynne, ob sie einen Fehler gemacht hatte. Sie lächelte Farnham entschuldigend zu und sagte: »Das Essen ist hier viel besser. Aber wahrscheinlich wird es länger dauern.«
    »Macht nichts.« Er schien ganz entspannt. »Ich hab's nicht eilig.« Er betrachtete die Speisekarte. »Wenn wir es schon machen, dann machen wir's doch richtig. Möchten Sie ein Glas Wein?«
    Lynne spürte beim ersten Glas, dass sie etwas unvorsichtig wurde. Sie war sich immer noch nicht sicher, ob sie nicht dabei war, einen Fehler zu begehen, aber er war ein guter Gesellschafter, mit dem man sich mühelos unterhalten konnte, und er war attraktiv, das musste sie zugeben. Nach einer Weile schweifte das Gespräch vom Thema Arbeit ab. Sie fingen an, über die Schwierigkeiten des Privatlebens zu sprechen, wenn man sich diesem Beruf mit Engagement widmete. Er sei geschieden, sagte er ihr. »Ich habe jung geheiratet, als ich im Beruf noch am Anfang stand«, fuhr er fort. »Sie konnte die Hektik nicht ertragen. Wir sahen einander kaum. Unsere Beziehung ist einfach eingeschlafen.«
    »Kinder?«, fragte Lynne.
    »Eines, ein Junge.« Er schien aber nicht ins Detail gehen zu wollen, und sie verfolgte es

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