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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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Wildheit. Aber was würde geschehen, wenn sich das nach außen wendete? Sie erinnerte sich, wie Nathan brutal gegen ihre Schläfe geschlagen und sie erschrocken und vergeblich nach dem Geländer gegriffen hatte, um nicht zu fallen. Sie glaubte nicht, dass Luke es getan hatte. Aber wie sollte ausgerechnet sie wissen, wozu jemand fähig war?
    Hull, Dienstagabend
    Vom Fluss stieg Nebel auf, als Lynne die Tür ihres Wohnblocks aufschloss. Das Wasser roch leicht faulig nach Seetang, was bedeutete, dass Ebbe bevorstand. Sie dachte an das dunkle, glitzernde Wasser weiter oben im Fluss, die Türme der Humber Bridge, das dünne Band der Straße, das sich in der Ferne verlor, an Katja, die von dem zurückfließenden Wasser auf die schlammige Sandbank geschwemmt worden war.
    Sie legte ihre Tüten auf der Arbeitsplatte ab und sah schnell nach, ob sie alles hatte, was sie brauchte. Sie hatte Roy Farnham unter dem Vorwand eingeladen, die Fälle und den möglichen Zusammenhang mit Menschenschmuggel zu diskutieren. Am Abend zuvor hatte er kurz nach ihrem Vorschlag zu Jemimas Identifizierung das Restaurant verlassen und musste die ganze Nacht gearbeitet haben, denn er rief sie morgens an und sagte ihr, sie hätte Recht gehabt, Gemma Wishart sei bei der Polizei von South Yorkshire als vermisst gemeldet. Wisharts Mutter hatte die Uhr, die das Dornröschen trug, und einen kleinen, unregelmäßigen Leberfleck auf ihrem linken Schenkel erkannt. »Wir werden noch die Bestätigung auf Grund der zahnärztlichen Unterlagen brauchen«, hatte Farnham gesagt. »Aber ich glaube, es kann kein Zweifel bestehen.« Sie hatte den Fall noch weiter besprechen wollen, um nach Verbindungen mit Katjas Tod zu suchen, aber Farnham hatte den ganzen Tag zu tun. Dann hatte sie versuchsweise ein Treffen am Abend in ihrer Wohnung vorgeschlagen.
    Er war nicht direkt ihr Vorgesetzter, jedenfalls nicht in der gleichen Ermittlungsgruppe, also sollten soziale Kontakte kein allzu großes Problem darstellen, aber Lynne war vorsichtig. Sie hatte schon einmal den Fehler gemacht, sich mit einem Arbeitskollegen einzulassen, und hatte das Gefühl, die Wunden von den paar Monaten mit dem strengen und dynamischen Steve McCarthy noch mit sich herumzutragen. Es war eine chaotische Beziehung gewesen, die mit bitteren Vorwürfen endete, und sie beschloss damals, es nie wieder zuzulassen, dass Arbeit und Privatleben sich vermischten.
    Aber wenn sie sich daran hielt, mit wem konnte sie dann überhaupt eine Beziehung eingehen? Die meisten Männer, die sie traf, schreckten zurück, wenn sie von ihrem Beruf erfuhren. Nur Kollegen konnten die Eigenart dieses Berufs und die Ansprüche, die er stellte, verstehen. Aber ein Kollege, der auf der Karriereleiter wesentlich höher stand? Die Leute würden sagen, dass sie ihre Karriere in der Horizontalen vorantrieb. Auch ein auf der Leiter weiter unten stehender Kollege war unmöglich. Jemand mit dem gleichen Dienstgrad? Da waren Ehrgeiz und Konkurrenzdenken zu befürchten, was sie – zu ihrem Nachteil – bei Steve herausgefunden hatte.
    Sie sah nach, wie spät es war. Sie hatte noch fast eine Stunde Zeit, bevor er kommen würde. Fast erwartete sie seinen Anruf zwecks Absage. Sie wusste, dass Gemma Wisharts Freund heute zur Vernehmung aufs Revier gebracht worden war, und fragte sich, ob Farnham gegen ihn, außer seiner Beziehung zu Gemma und den damit verbundenen Problemen, noch etwas in der Hand hatte. Wenn er über ihre Arbeit als Begleitdame Bescheid gewusst hatte und irgendwie daran beteiligt war, gab es eine ganze Menge Motive für Wisharts Tod. Oder auch wenn er es nicht gewusst hatte … Aber es hatte keinen Sinn, zu spekulieren. Sie würde die Einzelheiten bald von Farnham erfahren.
    Von dem Essen hatte sie nichts gesagt, aber er kam ja direkt von der Arbeit. Sie stellte Wasser für Pasta auf und überprüfte ihre Vorräte an Tomatensoße, die sie im letzten Sommer, gewürzt mit frischem Basilikum, eingefroren hatte. Auf dem Heimweg hatte sie Brot gekauft, und im Kühlschrank waren Salat, Käse und Obst. Sie war also für so ziemlich jede Eventualität gerüstet. Sie hatte Wein, falls es sich als ratsam erweisen sollte. Schnell ging sie unter die Dusche, und als sie gerade einen weichen Wollpullover überzog, klingelte es an der Gegensprechanlage. Es war Farnham. »Komm hoch«, sagte sie und drückte auf den Türöffner.
    Sheffield, Dienstagabend
    Roz hatte vor, diesen Abend an ihrem Buch zu arbeiten. Sie musste etwas tun, um ihren

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