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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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Kopf zu beschäftigen. Aber als sie vor dem Computer saß, wurde ihr klar, dass sie sich nicht konzentrieren konnte. Sie musste etwas tun, das sie forderte, und dachte an die Software, die sie vor kurzem mit nach Hause genommen hatte. Luke hatte sie empfohlen, und Joanna hatte sie gebeten, das Programm zu beurteilen. Das würde sie ablenken. Das Problem war nur, dass dieses Programm auf ihrem eigenen Computer nicht lief … aber plötzlich fiel es ihr wieder ein.
    Sie stand auf und ging durch die Küche zu der verschlossenen Kellertür und öffnete sie. Ein Schwall kalter Kellerluft kam ihr entgegen. Sie sah auf dem obersten Regalbrett den bis gerade eben vergessenen Laptop stehen, den sie – wann war es doch gleich, am Freitagabend? – mit nach Hause gebracht hatte. Der Computer, den Gemma bis zum Donnerstag benutzt hatte, als sie den weniger leistungsstarken Laptop mit nach Manchester genommen hatte. Und niemand wusste, dass Roz diesen hier bei sich hatte. Wenn die Zerstörung von Gemmas Dateien etwas mit ihrem Tod zu tun hatte, dann war dieses Gerät Gold wert. Sie hätte gern Luke angerufen, um es ihm zu sagen.
    Aber er war ja nicht zu Hause. Ihre Freude über ihren Fund legte sich. Sie musste erst sehen, was sie finden würde. Es gab keinen Grund, anzunehmen, dass Gemma etwas auf diesem Rechner zurückgelassen hatte. Sie öffnete die Tasche, und in einem der Fächer waren eine Diskette und ein paar Blätter Papier. Sie betrachtete die Papiere, ein paar getippte Seiten mit handschriftlichen Notizen, Symbolen, Gekritzel – die Original-Niederschrift! Gemmas vorläufiger Entwurf! Sie schaltete den Laptop ein und legte die Diskette ins Laufwerk, um zu sehen, was darauf war. Ja! Ein Ordner ›Gemma‹. Sie öffnete ihn und war enttäuscht, nur drei Dateien zu sehen: tapehull  – vermutlich eine korrigierte Fassung der Niederschrift von DI Jordans Tonband. Die zweite Datei hieß draftreport hull. Roz strich sich mit den Fingern über die Stirn. Der Ausdruck dieser Datei und der Niederschrift waren von ihrem Schreibtisch verschwunden. Die dritte Datei war mholbrook. Sie öffnete sie.
    Betr.: Holbrook-Archiv      
Lieber Professor Holbrook,      
vor kurzem habe ich mich wegen der Nutzung Ihres Archivs an Ihren Assistenten gewandt, um bestimmte Bänder vergleichen zu können. Offenbar wird die Sammlung zur Zeit katalogisiert und kann nicht benutzt werden. Sie erinnern sich wohl an das Tonband …
    Hier brach der Brief ab.
    Roz runzelte die Stirn. Hatte dies etwas mit dem Band und der Niederschrift zu tun? Das Holbrook-Archiv? Sie überlegte, aber ihr fiel dazu nichts ein. Sie suchte auf ihren Bücherregalen das Vorlesungsverzeichnis, fand aber unter den aufgeführten Dozenten keinen Holbrook. Sie entdeckte ihn jedoch unter den Gastdozenten. Marcus Laurence Holbrook. Er hatte anscheinend eine Beratungstätigkeit am Seminar für Europäische Studien. Er war Spezialist für Sprachen der alten UdSSR. Darauf hätte sie selbst kommen können, denn das war Gemmas Arbeitsgebiet, oder war es gewesen. Das Holbrook-Archiv musste eine Sammlung sein, die sich auf diese Sprachen bezog. In Gemmas Brief wurden Tonbänder erwähnt.
    Hatte Gemma ihre Analyse des Bandes von DI Jordan mit einem anderen Sprecher aus – sie sah in Gemmas Bericht nach – Nordostsibirien vergleichen wollen? Das schien logisch und erklärte vielleicht, wieso es bei Gemma noch Unsicherheiten in Bezug auf die Analyse gegeben hatte. Was hatte sie gesagt? »Es ist nur … Ich wollte etwas …« War es Gemma gelungen, Zugriff auf das Material zu bekommen, das sie suchte? Roz las den Bericht. Gemmas Schlussfolgerungen schienen klar, es gab nur sehr wenige Einschränkungen wie ›eventuell‹ und ›möglicherweise‹. Der Bericht schien komplett, war es aber laut Gemma nicht. Roz runzelte die Stirn und versuchte, sich zu erinnern. Gemma war in ihr Büro gekommen, um sich darüber zu beklagen, dass man sie so kurzfristig über die Fahrt nach Manchester informiert hatte, oder vielleicht eher deswegen, weil sie sich wegen des Berichts Rat holen wollte. Sie hatte gesagt … Es ist nur … ich wollte etwas … Was?
    Roz sah sich die Niederschrift an und bemerkte, dass Gemma etwas oben drüber geschrieben hatte. Zuerst in blauer Tinte das Wort ›cats‹ unterstrichen und mit Fragezeichen versehen. Cats? Dieses Wort war von Gekritzel, Daten und Zeitangaben umgeben, so als hätte Gemma sich Notizen gemacht, während sie mit jemandem sprach.

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