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Nachtengel

Titel: Nachtengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danuta Reah
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Nachdenken. Dann wurde er besserer Laune. »Ich weiß, wo er sein könnte. Ich gehe mit Ihnen rüber.«
    »Ist schon gut«, sagte sie. »Sagen Sie mir nur …«
    »Nein, es macht mir gar nichts aus. Ich muss sowieso mit ihm sprechen.« Er schien Elizabeth am Kopierer und die Noten seiner Studenten vergessen zu haben. Sie dachte, es wäre wahrscheinlich einfacher, seine Begleitung zu akzeptieren, als weiter mit ihm zu streiten.
    Sean brachte sie zum Aufenthaltsraum der Dozenten, wo er fünf Minuten lang versuchte, sie zum Kaffeetrinken mit ihm zu überreden. »Bitte«, sagte er. »Ich würde Sie wirklich gern kennen lernen.« Roz entschuldigte sich damit, dass sie zu viel zu tun habe, und er zeigte ihr widerwillig Holbrook, der an einem Fenster beim Kaffee saß und die Zeitung las. Sean ging mit Roz zu ihm hin. »Marcus, dies hier ist Rosalind … Roz Bishop. Sie hat Sie gesucht. Und ich muss …«
    Holbrook sah von der Zeitung auf und runzelte die Stirn. Er hatte eines dieser kleinen, schmalen Gesichter, die immer Unzufriedenheit auszudrücken. »Sean«, sagte er, »ich habe Sie heute früh erwartet.«
    »Ich wurde aufgehalten«, erwiderte Sean ohne Bedauern. »Ich habe Roz herübergebracht. Sie kennt Gemma. Kannte Gemma.« Holbrook sah Sean fragend an und beachtete Roz nicht, die das Schweigen brach.
    »Professor Holbrook«, sagte sie, »ich habe mit Gemma Wishart in der Law-and-Language-Group zusammengearbeitet. Könnte ich wohl kurz mit Ihnen sprechen?«
    Er runzelte leicht die Stirn und sagte nicht sehr freundlich: »Das scheinen Sie ja im Moment zu tun. Was genau wollen Sie?« Dabei sah er auf seine Uhr.
    Sean wartete einen Moment, dann sagte er: »Ich muss mit Ihnen über das neue Material sprechen, Marcus.«
    Holbrook nickte. »Ich sehe Sie in einer halben Stunde.«
    »Okay, ich bin drüben im Seminar.« Sean sah Roz an und sagte: »Man sieht sich.« Er hielt einen Moment inne, als wolle er ihr noch etwas sagen, dann ging er und ließ sie bei Holbrook zurück.
    »Ich kann auch später kommen, wenn Sie beschäftigt sind …«, sagte Roz.
    »Nein, nein«, erwiderte Holbrook ungeduldig. »Ich habe viel zu viel zu tun, um Termine machen zu können. Was kann ich für Sie tun?«
    Roz unterdrückte ihren Ärger. Holbrook war auf seinem Spezialgebiet ein anerkannter Wissenschaftler. Er hatte wahrscheinlich wirklich viel zu tun, und diesmal hatte sie sich in der Warteschlange mit Erfolg nach vorn gedrängelt. »Danke, Herr Professor Holbrook.« Sie überdachte das Problem schnell noch einmal. »Meine Kollegin, Gemma Wishart …« Sie sah ihn an, ob er den Zusammenhang erfasst hatte, aber er zeigte keine Reaktion, sondern betrachtete sie weiterhin nachsichtig. »Ich glaube, sie hat Sie um Rat zu einem Tonband gebeten, an dem sie arbeitete. Ich wollte nur wissen …«
    Er hob die Hand und unterbrach sie. »Sie brauchen nichts weiter zu sagen. Ich habe heute schon mit der Polizei darüber sprechen müssen. Dr. Wishart hat mich nicht um Rat gebeten. Sie wollte nur mein Archiv nutzen, und mein Assistent, den Sie ja kennen gelernt haben, sagte ihr in Übereinstimmung mit meiner Anweisung, dass es zur Zeit nicht zur Verfügung steht, weil es katalogisiert wird.« Er faltete seine Serviette und tupfte sich den Mund ab. »Sie hat dann an mich geschrieben, und ich habe ihr den Zugriff ermöglicht. Sie interessierte sich für Bänder aus Ostsibirien. Ich hatte damals keine Kenntnis davon, was sie suchte, und weiß es auch jetzt nicht.«
    »Ach.« Roz verschlug es für einen Augenblick die Sprache. Sie hatte angenommen, dass Gemma die Zweifel, die sie in Bezug auf die Bänder hatte, welcher Art auch immer sie gewesen sein mochten, mit diesem Mann besprochen hatte. »Sie hat Sie nicht um Übersetzungen oder so etwas gebeten?«
    »Wie ich Ihnen schon sagte, Miss Bishop …«
    »Doktor Bishop.« Roz war entschlossen, sich von dieser launischen Koryphäe nicht noch mehr bieten zu lassen.
    Er senkte anerkennend den Kopf. »Also dann Doktor Bishop. Wie ich sagte, sie bat darum, mein Archiv benutzen zu dürfen. Ich habe im Lauf der Jahre viel Material gesammelt und werde mit Anfragen von Wissenschaftlern überhäuft, die …«
    Roz hörte nur mit halbem Ohr zu, während sie überlegte, was er gesagt hatte. In Gemmas unfertigem Brief wurde ein Band erwähnt. Sie riskierte es, ihn noch mehr zu verärgern, indem sie ihn unterbrach. »Hat Gemma Ihnen Material für das Archiv gegeben?«, fragte sie.
    Er hielt mitten im Satz inne und

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