Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
schauen, was dabei herauskommt.«
    Schweigen macht sich zwischen uns breit, dann sagt er leise: »Ich kann keine Bücher von Unternehmen prüfen, die in den Zuständigkeitsbereich anderer Finanzämter fallen, Herr Kommissar. Es ist etwas anderes, Ihnen einmal auszuhelfen. Das, was Sie von mir verlangen, ist gegen die Vorschrift.«
    »Und wenn Sie vom Finanzministerium beauftragt würden?«
    »Dann sähe die Sache anders aus.«
    »Schön, ich übernehme das. Finden Sie sich morgen früh um neun in meinem Büro im Polizeipräsidium ein. Und behalten Sie die Sache für sich.«
    Als ich Manos, meinem Cousin zweiten Grades, offenbare, daß ich Kelessidis erneut brauche, meint er belustigt: »Zum Schluß wirst du ihn noch dem Finanzamt abwerben und einen Polizisten aus ihm machen. Aber nur zu, ich nehme seinen Einsatz auf meine Kappe.«
    Ich blicke auf meine Uhr. Es ist schon sieben. Ich will heute abend Chortiatis vernehmen. Deshalb hat es keinen Sinn, nach Hause zu fahren. Lieber treffe ich im Rembetiko ein, bevor der Rummel losgeht, damit ich mich mit Chortiatis in aller Ruhe unterhalten kann.
    Ich rufe Adriani an und gebe ihr Bescheid, daß sie nicht mit dem Essen auf mich warten soll.
    »Machst du schon wieder die Nacht durch?« fragt sie säuerlich.
    »Ich mache nicht durch. Um zwölf Uhr spätestens bin ich zu Hause. Schließlich hat Ousounidis mir empfohlen, ganz normal zu arbeiten.«
    »Ach ja, deshalb hast du beschlossen, den Beruf zu wechseln und Nachtwächter zu werden«, entgegnet sie sarkastisch und knallt den Hörer auf die Gabel.

39
    D er Nieselregen befeuchtet nicht einmal die Scheibenwischer richtig. Es ist neun Uhr abends, und ich fahre langsam von der beleuchteten Panepistimiou-Straße auf den dunklen Omonia-Platz zu. Die zwei- und vierrädrigen Fahrzeuge drehen sich rund um die U-Bahn-Baustelle bedächtig im Kreis.
    Die Müllberge sind von der Ajiou-Konstantinou-Straße verschwunden. An der Ecke zur Menandrou-Straße, vor der Kirche des hl. Konstantin, stecken zwei Typen die Köpfe zusammen, und dabei wechselt eindeutig Rauschgift den Besitzer. Der Streifenwagen vor mir bemerkt sie entweder nicht oder mißt ihnen keine Bedeutung bei. Kein Polizeibeamter macht sich heutzutage die Mühe, Dealer und Fixer hoppzunehmen, wenn es keinen ausdrücklichen Befehl gibt.
    Der Nieselregen ist stärker geworden, und auf dem Athinon-Boulevard kriecht der Verkehr zähflüssig dahin. Ich brauche eine halbe Stunde, um zum Rembetiko zu gelangen. Ich finde Koustas’ Parkplatz unbesetzt und stelle meinen Wagen dort ab.
    Mantas’ Stelle am Eingang hat ein großgewachsener, bläßlicher Typ eingenommen.
    »Ist Herr Chortiatis da?« frage ich ihn.
    »Worum geht es?«
    »Worum es geht, sage ich ihm selbst, ich will nur wissen, ob er da ist. Ich stelle hier die Fragen, und du antwortest gefälligst.« Mit dieser Feststellung gebe ich mich ihm als Bulle zu erkennen.
    »Kommen Sie rein«, sagt er und öffnet die Tür.
    Der Saal hat sich seit dem letzten Mal nicht verändert. Dieselbe bordeauxrote Tapete mit den goldenen Rauten, dieselbe Anordnung der Stühle und Tische. Nur die Sängerin fehlt, die am Mikrofon wie an einer Eistüte leckte. Die Barfrau gibt sich ihrem Lebensinhalt hin und poliert Gläser.
    »Wo finde ich Herrn Chortiatis?« frage ich sie.
    »Er ist in seinem Büro«, gibt sie zurück, während sie ihr Spiegelbild im Glas anstarrt.
    »Und wo liegt sein Büro?«
    »Die dritte Tür links.« Sie deutet auf den Durchgang, den ich noch von meinem letzten Besuch her kenne.
    Ich werfe einen Blick in Kalias Künstlergarderobe, doch sie ist leer. Ich klopfe an die dritte Tür links, und als das »Ja« ertönt, stehe ich bereits im Zimmer. Renos Chortiatis springt auf und streckt mir die Hand entgegen. Diese Geste ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Sobald er einen Menschen erblickt, streckt er die Hand aus, als hätte er jahrelang die Mautgebühr an der Autobahn einkassiert.
    »Herr Kommissar! Was verschlägt Sie hierher?«
    »Ich hätte gerne ein paar Erläuterungen zu Dinos Koustas’ beruflichen Tätigkeiten eingeholt.«
    »Nehmen Sie Platz.«
    Ich lasse ihm eine Minute lang Zeit, meinen Anblick zu verkraften. »Herr Chortiatis, gehört Ihnen der Fußballverein Proteus?«
    Er reagiert verdattert, findet jedoch rasch wieder zu seinem Lächeln zurück. »Sind Sie Fußballanhänger, Herr Kommissar?«
    »Je länger, je weniger. Zurück zu meiner Frage: Gehört Proteus Ihnen?«
    »Ja.«
    »Und Proteus ist die

Weitere Kostenlose Bücher