Nachtfalter
Mannschaft von Livadia?«
»Richtig.«
»Stammen Sie aus Livadia?«
»Ich stamme aus Thessaloniki, bin aber in Livadia aufgewachsen. Nach Athen kam ich erst nach dem Militärdienst.«
»Haben Sie deshalb in Livadia einen Fußballverein aufgebaut, weil Sie dort aufgewachsen sind?«
»Ich habe ihn nicht aufgebaut. Es gab ihn schon, nur war er völlig am Boden. Ich dachte, ich könnte ihn übernehmen und wieder an die Spitze führen, damit auch Livadia eine anständige Fußballmannschaft hat. Wenn auch nur in der dritten Liga.«
»Haben Sie den Fußballklub aus diesem Grund übernommen oder eher deswegen, weil das Restaurant Chinesische Mauer in Livadia Ihre Mannschaft sponserte?«
Er grinst und antwortet ohne Zögern. »Es ist doch ganz natürlich, Herr Kommissar, daß eine Mannschaft aus Livadia einen Geldgeber aus Livadia hat. Und nicht aus Athen.«
»Haben Sie gewußt, daß die Chinesische Mauer Koustas gehörte?«
Diesmal erscheint mir seine verdutzte Miene echt.
»Nein«, meint er.
»War es nicht Koustas gewesen, der Ihnen das Restaurant als Sponsor nahegelegt hat?«
»Nein«, entgegnet er wieder. »Die sind von sich aus auf mich zugekommen. Sie erklärten, sie wollten uns sponsern, weil wir eine Mannschaft aus Livadia seien.«
»In welcher Höhe lag die Zuwendung?«
»Hundertzwanzig Millionen jährlich.«
Plus weitere zweihundertvierzig für Triton machen zusammen dreihundertsechzig. Dann muß mir Kelessidis nur noch durchgeben, wie hoch die Sponsorengelder für Iason waren.
Seine Antworten sind korrekt, er tischt mir keine Lügen auf. Dennoch sagt er nur die halbe Wahrheit. Koustas hatte keinen Grund, ihm seine Geschäftsbeziehungen zu dem chinesischen Restaurant zu offenbaren. Er veranlaßte den Geschäftsführer des Restaurants, auf Chortiatis zuzugehen.
»Was hatte Koustas gegen Sie in der Hand?« frage ich ihn unvermittelt.
»Was meinen Sie damit?«
»Herr Chortiatis, Proteus war doch nicht Ihre Mannschaft, oder? Sie war Koustas’ Verein. Sie fungierten bloß als Strohmann.«
»Sie irren sich«, ruft er mit seiner Piepsstimme und springt auf. »Die Mannschaft gehört mir, sie ist auf meinen Namen eingetragen.«
»Möglich, daß sie auf Ihren Namen eingetragen ist. Aber dahinter verbarg sich Koustas.«
»Quatsch! Meine Geschäfte mit Koustas waren sauber.«
»Und was waren das für Geschäfte?«
Bisher hat er sich gut gehalten, doch jetzt kommt er ins Stocken. »Als es mit dem Kauf von Proteus soweit war, reichten meine Finanzen nicht aus, und Koustas bot mir an, das Geld vorzustrecken.«
»Und haben Sie es ihm zurückbezahlt?«
Er weicht meinem Blick aus. »Nein. Als er sah, daß ich in Schwierigkeiten steckte, schlug er mir vor, er würde in den Verein einsteigen und so die Schulden wieder wettmachen.« Er hebt den Blick und schaut mich an. »Es ist doch nichts dabei, einen stillen Teilhaber zu haben! Hierzulande gibt es Unternehmer, die zehn oder zwölf Firmen kontrollieren.«
»Na, regen Sie sich nicht gleich auf! Keiner hat Ihnen etwas vorgeworfen! Zu wieviel Prozent war er beteiligt, als er bei Ihnen einstieg?«
Der gehemmte Gesichtsausdruck, der kurzfristig der Empörung gewichen war, kehrt wieder. »Anfänglich waren es fünfundzwanzig Prozent. Als er starb, war er bei sechzig Prozent angelangt.«
»Wieso? Hat er Ihnen noch mehr Geld geliehen?«
»Nein, aber er unterstützte den Ankauf von Spielern.«
Nur durch ein Wunder hat er den Verein nicht an Koustas verloren. Wenn Koustas nicht ermordet worden wäre, hätte er ihm den ganzen Fußballverein abgeluchst, und Chortiatis wäre nur mehr der Form halber Eigentümer geblieben. Jetzt, wo ich drei verschiedene Fälle vor mir habe, kann ich klarer die jeweils unterschiedliche Taktik erkennen, die Koustas verfolgte, um Geschäftspartner an sich zu binden. Petroulias zog er offensichtlich ins Vertrauen, Chortiatis machte er zu seinem Angestellten, und bei der Karamitri und ihrem Mann nutzte er deren Zwangslage aus. Der einzige gemeinsame Nenner war die Wiederverwertung von Geldern. Was mir zu Beginn als Teufelskreis erschien, erweist sich nun als nichts anderes als das Zirkulieren von Summen in einer Geldwaschanlage. Wenn sich mein Verdacht bestätigt, dann sind sowohl Petroulias als auch Koustas von Profikillern umgelegt worden. Die Antiterrorabteilung hatte bis zu einem gewissen Punkt recht, nur daß es sich bei Koustas’ Mördern nicht um Rotlichtbarone, sondern um Leute aus dem Dunstkreis des organisierten Verbrechens
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