Nachtfalter
drohte Koustas mit der roten Karte, zeigte ihm seine Macht. Und am 25. Mai zog er die rote Karte wirklich: Statt die Darlehensrate der Greekinvest an die Ionische Bank zu bezahlen, leitete er das Geld auf sein eigenes Bankkonto um. Koustas kam dahinter und ließ ihn beseitigen. Wer aber hatte Koustas auf dem Gewissen?
Plötzlich kommt mir eine ganz neue Idee. »Koustas hat das schmutzige Geld Dritter durch seine Waschanlage geschleust und mußte dafür Rechenschaft ablegen«, sage ich zu Kelessidis. »Folglich müssen irgendwo seine Einnahmen und Ausgaben vermerkt sein.«
»Sicher, nur dafür müssen Sie die doppelte Buchführung finden.«
»Welche doppelte Buchführung?«
Er schaut mich verwundert an. »Die meisten Unternehmen verfügen über eine doppelte Buchhaltung«, entgegnet er. »Einmal die offizielle Bilanzbuchhaltung und Versteuerung, dann die zweite, inoffizielle Buchführung, die das wahre Bild spiegelt und die das Finanzamt nie zu Gesicht bekommt. Wenn Sie diese Bücher auftreiben, dann bekommen Sie heraus, wie Koustas das Geld entgegennahm und wie er es wieder zurückzahlte.«
»Und wo könnte diese zweite Buchhaltung versteckt sein?«
Er lacht auf. »Wenn wir Steuerfahnder das wüßten, säße die Hälfte aller Unternehmer im Knast, Herr Kommissar«, antwortet er.
»Gut, machen Sie weiter, und ich beschaffe Ihnen die Geschäftsbücher von Koustas’ Nachtlokalen und seine Bankauszüge«, sage ich und stehe auf.
Die Antiterrorabteilung hatte Tomaten auf den Augen, doch ich war der allergrößte Kohlkopf, da ich Elena Koustas Aussagen Glauben schenkte und wir ihr Haus nicht durchsucht haben.
41
D iesmal fahren wir nicht über die Küstenstraße zu Koustas’ Villa in Glyfada, sondern über den Vouliagmenis-Boulevard. Der Nieselregen hält nun schon den zweiten Tag an. Kein richtiger Schauer, aber auch kein Sonnenschein. Es tröpfelt bloß fade und unentschlossen vor sich hin. Als läge man mit siebenunddreißig eins im Bett – zum Kranksein zu wenig, zum Gesundsein zu viel.
»Wozu schaltest du den Scheibenwischer ein?« fahre ich Dermitzakis unwirsch an. »Das verschlechtert die Sicht ja noch mehr.«
Er schaltet ihn ab, und ich kann meinen Gedanken ungestört nachhängen. Nasioulis’ Prophezeiung hat sich bestätigt: Koustas hat einen Verteidigungsring geschaffen, der nicht einmal nach seinem Tod bröckelt. Durchbricht man die erste Linie, seine Nachtklubs, stolpert man über die Greekinvest. Ist man an der Karamitri vorbeigezogen, bleibt man an Chortiatis hängen. Und wenn man alle ausgespielt hat, baut sich der Torwart vor einem auf – Koustas’ geheime Buchführung und die unbekannten Geschäftspartner aus Mafiakreisen. Wer weiß, möglicherweise haben mir die Antiterrorabteilung und Gikas den Fall genau deswegen übertragen: weil sie sicher waren, daß ich Koustas’ Abwehrmauer nicht durchbrechen würde.
Nun bin ich auf dem Weg, Koustas’ Haus zu durchsuchen, doch meine ursprüngliche Begeisterung ist verflogen, und ich mache mich nur halbherzig ans Werk. Ein gerissener Geschäftsmann wie er würde seine doppelte Buchführung bestimmt nicht bei sich zu Hause lagern.
Koustas’ Villa zeigt sich genauso befestigt wie bei unserem ersten Besuch, doch damit hören die Ähnlichkeiten auch schon auf. Ich läute an der Klingel, und die Tür springt mit einem Klicken auf. Nirgendwo Sicherheitspersonal, weit und breit keine Sojawürfel bratende Philippinin. Im Vorgarten lassen die wenigen Blüten ihre Köpfe hängen, und die kopierte Kykladenkunst ist unter einer Dreckschicht ergraut, als wären Jahrhunderte vergangen.
Der Hauseingang ist verschlossen, und wir klopfen erneut. Dann wird die Tür aufgerissen, und Makis ruft: »Endlich, wo bleibst du so lange!« Als er uns erblickt, verstummt er irritiert. Sein Blick wandert ruhelos umher, sein Körper steht unter Strom. Offensichtlich erwartete er seinen Dealer, doch nun sieht er uns vor sich und steht knapp vor einem hysterischen Anfall.
»Was wollen Sie denn schon wieder, verdammt!« schreit er.
»Beruhigen Sie sich, Makis«, sage ich sanft. »Wir wollen das Haus durchsuchen. Wir glauben, daß Ihr Vater hier Papiere versteckt hat, die wir benötigen.«
»Das geht jetzt nicht, ich erwarte Besuch. Hätten Sie vorher angerufen!«
»Es dauert nicht lange. Wir nehmen uns nur seinen Schreibtisch vor, und das war’s auch schon.«
Er lacht los. »Welchen Schreibtisch? Mein Alter hatte keinen Schreibtisch. Weder zu Hause noch sonstwo. Er
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