Nachtfalter
festgestellt.«
»Irgendwelche Fingerabdrücke?«
Er blättert kurz in der Akte. »Die einzigen Fingerabdrücke stammen von ihr selbst. Außer …« Er verstummt und studiert den Bericht aufmerksam.
»Außer?«
»Auf dem Nachttischchen neben dem Bett haben wir zwei Gläser und eine Flasche Whisky gefunden. Auf dem einen Glas waren ihre Fingerabdrücke drauf. Auf dem anderen waren keinerlei Spuren.«
»Und auf der Flasche?«
»Auch nichts.«
Eigentlich müßte ich mir selbst auf die Schulter klopfen, weil ich mich mit den Angaben des Fotografen und Marinas Aussage nicht zufriedengeben wollte. Doch mir ist eher danach, mich lautstark aufzuregen. »Also wirklich, ist Ihnen denn nicht verdächtig erschienen, daß auf dem Glas und der Flasche keinerlei Fingerabdrücke festzustellen waren?« frage ich den Kriminalhauptwachtmeister. »Jemand war zum Zeitpunkt ihres Todes bei ihr. Und hat seine Fingerabdrücke fortgewischt, um nicht erkannt zu werden. Woher wollen Sie wissen, daß nicht er ihr die Spritze mit dem reinen Heroin gegeben hat, um sie aus dem Weg zu räumen?«
Er wirft mir einen vielsagenden Blick zu, als spreche er zu einem geistig Behinderten, mit dem man viel Geduld haben muß. »Wir haben sie in ein Badetuch eingehüllt gefunden, Herr Kommissar.«
»Ist mir bekannt, na und?«
»Derjenige, der bei ihr war, war bestimmt ein anderer Süchtiger, ein Freund, mit dem sie gemeinsam gespritzt hat. Das tun Fixer oft, sie werden nicht gerne alleine high. Als der andere sah, daß sie tot war, ergriff er in Panik die Flucht, um keine Scherereien zu bekommen.«
»Und wieso wischte er seine Fingerabdrücke ab?«
»Wenn er ein registrierter Drogenabhängiger ist, hatte er Angst davor, daß wir ihn auf diese Weise ausfindig machen würden.« Seine Erklärung klingt folgerichtig, und er blickt mich an, voll Befriedigung, daß er den Leiter der Mordkommission im Polizeipräsidium mundtot gemacht hat.
»Haben Sie ihre Handtasche gefunden?«
»Ja. Sie hatte eine Geldbörse mit ihrem Personalausweis, eine Fünftausenddrachmennote und ein Adreßbüchlein bei sich.«
»Lassen Sie mich doch mal das Adreßbüchlein sehen.«
Er geht hinaus und kehrt kurz darauf mit einem kleinen Notizbuch wieder. Ich schlage es auf, und sofort fallen mir Name und Telefonnummer des Exministers auf. Anscheinend war es doch keine schnelle Nummer, wie sich Dermitzakis auszudrücken pflegt, sondern er war ein regelmäßiger Gast. Offenbar hatte Koustas die Fotografien noch nicht ins Spiel gebracht, und der Exminister gab sich Kalias Reizen bedenkenlos hin.
»Ich würde mir die Wohnung gerne ansehen.«
»Da haben Sie Glück«, meint er. »Denn morgen hätten wir sie räumen lassen.«
»Können Sie mir einen Polizisten mitgeben, der mir den Weg zeigt?«
»Das kann ich machen, nur einen Streifenwagen habe ich zur Zeit nicht frei. Wir haben nur zwei davon, und die sind beide im Einsatz.«
»Kein Problem, ich habe meinen Wagen dabei.«
»Kontokostas!« ruft der Kriminalhauptwachtmeister, und unverzüglich erscheint ein junger Polizeibeamter in der Tür. »Ich möchte, daß Sie den Herrn Kommissar zur Wohnung der Kourtoglou führen, in der Inois-Straße 7.« Er zieht eine Schreibtischschublade heraus und übergibt ihm die Wohnungsschlüssel.
»Wer hat denn die junge Frau aufgefunden?« frage ich Kontokostas, als wir die Belojannis-Straße hochfahren.
»Ich und Balodimos, ein Kollege. Der Schlosser, den ihre Freundin zum Aufbrechen der Tür mitgebracht hatte, hat uns verständigt.«
Die Inois-Straße ist ein enges Gäßchen. Kalia wohnte im Erdgeschoß. Die Tür ist immer noch mit einem gelben Klebestreifen versiegelt. Kontokostas löst ihn von der Tür und schließt mit dem Schlüssel auf, den ihm der diensthabende Beamte überreicht hat. Das Apartment besteht aus zwei Räumen, die beide auf die Straße gehen. Sie sind bescheiden eingerichtet, reinlich und gepflegt.
»Zeigen Sie mir mal, wo Sie sie gefunden haben.«
Er führt mich ins Schlafzimmer, das unmittelbar ans Wohnzimmer grenzt. Das ungemachte Bett steht in einer Zimmerecke, die Bettdecke und ein Überwurf liegen davor. Auf dem Polster zeichnet sich immer noch der Abdruck von Kalias Kopf ab.
Ich kann nichts ausfindig machen, was meinen Verdacht bestätigt. Alles ist an seinem Platz. Ich ziehe die Schublade des Nachttischchens heraus. Sie ist voll Schminkutensilien. Ganz obenauf liegen ein Stauschlauch und ein Bündel Einweg-Injektionsnadeln. Kalia setzte sich den Schuß gerne,
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