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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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habe und er mir nun – zu seinem großen Bedauern – auch nicht mehr helfen kann.
    »Die Akten bleiben bei Ihnen«, sagt er. Ich starre ihm fassungslos ins Gesicht, doch dieser Anblick befriedigt ihn wenig. »Der Minister hat gestern abend Sotiropoulos’ Reportage gesehen und sich sehr über den Ministerialdirektor aufgeregt. Er hat angeordnet, die Nachforschungen weiterzuführen, ohne irgendeinen Versuch zu unternehmen, die Beteiligung der beiden Parlamentsabgeordneten zu vertuschen. Sie stehen zwar unter dem Schutz der parlamentarischen Immunität, und es obliegt dem Parlament, sie aufzuheben. Die Polizei aber soll ihre Arbeit tun.« Er verstummt, und wir blicken uns etwa eine halbe Minute wortlos an, bis er wieder das Wort ergreift. »Es war nicht korrekt von Ihnen, die Hinweise, auf die Sie in Koustas’ Lager gestoßen waren, geheimzuhalten«, meint er. »Sie sind fälschlicherweise davon ausgegangen, ich würde den Fall ad acta legen.«
    Er hätte die Sache auf jeden Fall vertuscht, doch nun erhält er Rückendeckung durch den Minister und spricht aus einer Position, wo ihm nichts mehr passieren kann. Ich beuge mich zum Schreibtisch hinunter und nehme die Akten wieder an mich. Gikas hält seinen Blick auf mich geheftet, als wolle er mir noch etwas sagen, das er aber nicht über die Lippen bringt. Irgend etwas stimmt da nicht, überlege ich. Kein Minister setzt sich so für einen kleinen Kommissar der Mordkommission ein, daß er seinetwegen den Ministerialdirektor zur Ordnung ruft und sich mit dem Kriminaldirektor aus dem Polizeipräsidium anlegt. Eher würde er ihn ersetzen, als eine Auseinandersetzung mit zwei engen Mitarbeitern zu riskieren.
    »Es ist doch nicht nur Sotiropoulos’ Reportage. Da läuft doch noch etwas anderes, was Sie mir noch nicht gesagt haben.«
    »Ja, da läuft tatsächlich noch etwas anderes«, antwortet er, in die Enge getrieben.
    »Was?«
    »Heute morgen hat man Loukia Karamitri tot in ihrem Wagen aufgefunden. Sie wurde mit einem Schuß in die Schläfe förmlich hingerichtet.«
    Das ist es also. Die Vertuschungsaktion verkompliziert sich, man hat noch einen dritten Mord aufzuklären und kann sich nicht mehr einfach mit meiner Suspendierung aus der Affäre ziehen.
    »Wo hat man sie gefunden?«
    »Im Waldstück bei Varybombi. Ein junges Pärchen, das zufällig auf dem Motorrad vorbeifuhr, hat sie entdeckt.«
    Seine Stimme erreicht mein Ohr noch, bevor ich zur Tür gelange. »Wenn Sie zurückkommen, schreiben Sie mir einen kurzen Bericht für die Presseerklärung. Wir können die Nachricht nicht mehr zurückhalten.«
    Er möchte, bequem zurückgelehnt, seinen Text auswendig lernen. Die Karamitri kümmert ihn wenig. Die bereitet einzig und allein mir Kopfzerbrechen.

53
    L oukia Karamitri sitzt in ihrem Wagen und scheint durch die Windschutzscheibe die bis zum Horizont reichenden hohen Kiefern beiderseits der Straße zu betrachten. Ihr fülliger Busen berührt fast das Lenkrad, während ihre rechte Hand schlaff auf dem Beifahrersitz ruht. Ihr Mund ist halb geöffnet. Die Kleidung unter der roten Sportjacke wirkt zusammengewürfelt, sie trägt eine gelbe Bluse und einen dunkelblauen Rock. So, als hätte sie nach einem überraschenden Anruf schnell etwas übergeworfen und wäre zum Treffpunkt geeilt. Markidis steht über sie gebeugt und untersucht sie.
    »Was meinen Sie?« frage ich ihn.
    »Immer mit der Ruhe. Ich habe gerade erst angefangen.«
    Der Streifenwagen steht zwanzig Meter entfernt, und auf der anderen Straßenseite steht ein zwanzig- bis zweiundzwanzigjähriger Mann an eine Tausendkubikmaschine gelehnt. Er trägt eine schwarze Lederjacke, eine schwarze Lederhose und schwarze Schaftstiefel. Als er sieht, daß ich auf den Streifenwagen zugehe, stößt er sich von seiner Maschine ab und heftet sich an meine Fersen.
    Auf dem Rücksitz des Streifenwagens sitzt eine junge Frau um die Zwanzig. Auch ihre Ausrüstung ist ganz aus Leder. Vermutlich kaufen sie im selben Laden ein und bekommen Rabatt. Zwischen ihre nervösen Fingern, hat sie eine Zigarette geklemmt. Sie führt sie in kurzen Abständen an ihre Lippen und betrachtet danach prüfend die Glut.
    »Sie haben sie gefunden?« frage ich.
    Sie nickt und beginnt zu zittern, sie steht knapp davor, loszuheulen.
    »Bleib cool, Scheiße noch mal!« ruft ihr der Freund zu. »Bleib cool und halt dich kurz.«
    »Bringen Sie ihn von hier weg«, sage ich zu dem Polizeibeamten, der auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat.
    Der freut sich

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