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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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sind, als der Moderator endlich sagt: »Heller Aufruhr herrscht in den Reihen der griechischen Polizei, meine sehr geehrten Fernsehzuschauer. Der Grund dafür ist der immer noch nicht aufgeklärte Mord an Konstantinos Koustas. Menis Sotiropoulos berichtet.«
    Sotiropoulos tritt im Kampfanzug – mit seinem Armani-Hemd und den Timberland-Schuhen – auf, hinter ihm zeichnet sich das Eingangstor des Polizeipräsidiums auf dem Alexandras-Boulevard ab.
    »Guten Abend, Nikos, guten Abend, liebe Zuschauer. Konstantinos Koustas hat es geschafft, die griechische Polizei selbst nach seinem Ableben noch auf Trab zu halten. Unbestätigten Meldungen zufolge heißt es, der Leiter der Mordkommission im Polizeipräsidium, Kommissar Kostas Charitos, sei vom Dienst suspendiert worden.«.
    »Glauben Sie, Menis, daß diese Tatsache, falls sie sich bestätigen sollte, im Zusammenhang mit den Nachforschungen im Zuge des Mordes an Konstantinos Koustas steht?«
    »Das könnte sein, Nikos. Selten zuvor hat die Polizei einen Fall dermaßen unter Verschluß gehalten. Das wird seinen Grund haben. Es war sozusagen ein offenes Geheimnis, daß Koustas in dunkle Machenschaften verwickelt war, obwohl er nie angezeigt oder gar verurteilt worden wäre. Gerüchten zufolge hat Kommissar Charitos den Versuch unternommen, politische Persönlichkeiten zu verhören, die möglicherweise mit einer von Koustas organisierten Geldwaschanlage zu tun hatten.«
    »Denken Sie, daß Charitos aus diesem Grund vom Dienst suspendiert wurde?«
    »Vorläufig ist nichts darüber bekannt. Jedenfalls ist Kommissar Charitos einer der angesehensten und fähigsten leitenden Polizeibeamten. Sollte er tatsächlich vom Dienst suspendiert worden sein, ist nicht auszuschließen, daß man versucht, den Fall zu verschleiern, um gewisse Politiker zu schützen.«
    »Hat man Charitos also zum Sündenbock erklärt?«
    »Das will ich nicht hoffen. Wenn es aber zutreffen sollte, können Sie sicher sein, daß die Öffentlichkeit die ganze Wahrheit erfahren und dieser Vertuschungsversuch ans Licht kommen wird.«
    »Vielen Dank, Menis. Wir hoffen, Sie bleiben am Ball.«
    Das Thema wird gewechselt, und der Chef der größten Oppositionspartei tritt – ganz leger im Pullover und ohne Jackett – auf der Insel Gavdos auf, um die Regierung der Unfähigkeit zu bezichtigen.
    Ich zerbreche mir den Kopf, warum Sotiropoulos das getan hat. Er kann mich nicht sonderlich gut leiden, und ich kann ihn auch nicht ausstehen. Trotzdem ist er für mich in die Bresche gesprungen. Wieso bloß? Um Eindruck zu schinden? Das hätte er auch haben können, ohne gleich eine Lobeshymne anzustimmen.
    Ich drehe mich zu Adriani um und blicke sie an. Adrianis Mundwinkel haben fast die Ohren erreicht, und ihre Augen leuchten. »Und was sagst du jetzt? Ausgerechnet Sotiropoulos, den du nie leiden konntest!« sagt sie.
    »Dabei ist er nicht einmal ein Anhänger der Junta gewesen«, entgegne ich.

52
    R aten Sie mal, auf welchen Namen Koustas’ Lagerraum eingetragen ist«, ruft mir am nächsten Morgen Vlassopoulos entgegen, als er mich im Korridor sieht. »Loukia Karamitri.«
    »Ist mir egal. Bring mir schnell Koustas’ und Petroulias’ Akte.« Ich fasse mich kurz und verschwinde in meinem Büro, um überflüssigen Solidaritätsbekundungen und einer Vielfalt von Blicken – von mitleidig über verständnisvoll bis schadenfroh – zu entgehen, denn alles bringt mich in gleicher Weise auf die Palme.
    Ich habe weder Kaffee noch Croissant geholt, einerseits weil Kaffee das Herzklopfen verstärkt, und andererseits weil ich mich selbst davon überzeugen will, daß ich nur zu einem kurzen Zwischenstopp hier bin, um Gikas die Akte zu übergeben. Ich versuche, vorläufig nicht daran zu denken, wie ich den Rest meiner Tage untätig zu Hause verbringen und mich tagaus, tagein mit Adriani zanken werde.
    Vlassopoulos bringt die beiden Aktenordner und läßt sie auf meinem Schreibtisch liegen. »Ich habe gestern abend die Nachrichten gesehen«, sagt er. »Ich dachte, ich spinne und höre Radio Eriwan.«
    »Sotiris, darüber will ich nicht reden.«
    »Schon in Ordnung, alles klar.«
    Er geht hinaus und schließt diskret die Tür. Ich schlage zuerst Petroulias’ Akte auf. Alles ist vorhanden: Anitas Zeugenaussage und die ihres englischen Freundes, die Aussage des Zirkusphilosophen und die in Deutschland aufgezeichnete Ergänzung, Markidis’ Befund sowie die Angaben des Vorsitzenden des Schiedsrichterverbandes und die Aussage von

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