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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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und schiebe sie zur Seite.
    »Stimmt es, daß Kosmas Karamitris Koustas und seine Frau auf dem Gewissen hat?« ruft jemand hinter mir her.
    »Ich habe Ihnen schon gesagt: Es wird eine Presseverlautbarung geben. Haben Sie ein wenig Geduld.«
    »Sie haben es wieder mal hingekriegt«, flüstert mir Sotiropoulos zu. »Vergessen Sie nicht, daß Sie mir noch etwas schuldig sind.«
    Ich habe nichts von ihm verlangt, und so stehe ich auch nicht in seiner Schuld. Was er getan hat, das hat er aus freien Stücken getan. Aber er ist einer der Reservisten, die sich deswegen freiwillig melden, weil sie sich eine Beförderung davon versprechen. In meinem Überschwang habe ich meinen Kaffee und mein Croissant vergessen, doch ich bin nicht in der Stimmung noch mal hinauszugehen, da sich die Journalisten wieder auf mich stürzen würden. Ich setze mich gerade an Gikas’ Bericht, als mich Dermitzakis unterbricht.
    »Ich habe Mantas aus dem Korydallos-Gefängnis herbringen lassen. Er ist jetzt bei den anderen beiden, und sie arbeiten gemeinsam am Phantombild des Weißhaarigen.«
    »Schön. Sobald ihr fertig seid, möchte ich es sehen.«
    »Ich habe auch den Durchsuchungsbefehl ausstellen lassen.«
    »Na dann kannst du ja mit Vlassopoulos zu Karamitris’ Büro fahren und loslegen. Ich muß den Bericht für den Chef schreiben.«
    Ich bin sicher, daß sie nichts finden werden und es nicht der Mühe wert ist, drei Beamte ihre Zeit verschwenden zu lassen. Ich nehme mir Papier hervor und überlege hin und her, wie drei Fälle – Petroulias, Koustas, die Karamitri – auf eineinhalb Seiten passen sollen, damit Gikas alles auswendig lernen und den Journalisten vorsagen kann.
    Als ich damit fertig bin, steht die Stratopoulou in der Tür. Ich hatte sie vollkommen vergessen, doch dann erinnere ich mich an unser Telefongespräch vom Vortag. Sie trägt eine Handtasche über der Schulter, während sie in der rechten Hand eine Aktenmappe und in der linken eine kleine Plastiktüte hält.
    »Da wären wir, Herr Kommissar«, sagt sie und läßt die kleine Plastiktüte auf meinen Schreibtisch sinken.
    »Vielen Dank, Frau Stratopoulou. Tut mir leid, daß wir Ihnen so viele Umstände gemacht haben.«
    »Keine Ursache, freundschaftliche Beziehungen zur Polizei kommen uns zugute. Wir haben aus beruflichen Gründen des öfteren Ärger mit der Hafenpolizei, da könnten Sie ein gutes Wort für uns einlegen.« Sie geht mit einem breiten Grinsen hinaus.
    Ich fische das zusammengerollte Oberteil eines blauen Matrosenanzugs aus der Plastiktüte, rolle es auseinander und stoße auf Christos Petroulias’ Reisepaß. Mein erster Gedanke ist, daß er Vorkehrungen getroffen hatte, um sich abzuseilen. Er war aufs Meer hinausgefahren, damit sich seine Spur in trüben Wassern verlieren sollte, gleich nachdem er seine Geschäfte unter Dach und Fach gebracht hatte.
    Als ich den Reisepaß durchblättere, um zu prüfen, ob er sich vielleicht ein Visum in ein Land der dritten Welt hat ausstellen lassen, stolpere ich über eine 7 x 10 cm große Fotografie. Ich nehme sie zur Hand und bleibe wie vom Donner gerührt sitzen. Ich schließe meine Augen und öffne sie wieder, um mich zu vergewissern, daß ich nicht träume. Die Fotografie zeigt Petroulias mit nacktem Oberkörper. Er trägt eine Matrosenmütze und reckt seine dichtbehaarte Brust ins Bild.
    An seiner Schulter lehnt Niki Kousta und lächelt mich an. Ihr Haar ist blond und fällt offen über ihre Schultern.
    Die mysteriöse Blonde war also die ganze Zeit hier, direkt neben mir, unzählige Male habe ich mit ihr gesprochen! Nur hatte sie inzwischen ihre Haare geschnitten und gefärbt. Sie hat sich seit damals so sehr verändert, daß ich sie kaum wiedererkannt hätte, wenn nicht ihr kindliches Lächeln und ihre schelmischen Augen wären – auf der Fotografie genauso wie im wirklichen Leben.
    Als ich nach fünf Minuten meine Fassung wiedererlange, ist meine erste Reaktion, in das Büro gegenüber zu stürmen, um Vlassopoulos und Dermitzakis aufzuhalten. Doch die sind bereits unterwegs.
    »Nimm Kontakt zum Streifenwagen auf«, sage ich zu einem jungen Kollegen. »Sag ihnen, sie sollen Karamitris’ Büro sein lassen und mir statt dessen Niki Kousta aus der R. I. Hellas herbringen.«
    Er stürzt sich auf das Funkgerät, und ich hole in der fünften Etage erst einmal tief Luft. Die Journalisten drängeln sich in Gikas’ Vorzimmer, sie rufen alle durcheinander, und Koulas mordlustiger Blick spricht Bände. Die Journalisten

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