Nachtfalter
übergegangen war.«
»Warum sollte er das tun? Sie waren doch verheiratet!« fragt Stellas.
Mir kommt der Gedanke, ihn als Karamitris’ Rechtsbeistand einzusetzen. »Weil sie kurz vor der Trennung standen. Wie es scheint, wollte Loukia den ersten Schritt tun, Karamitris geriet in Panik und veranlaßte ihre Ermordung, bevor sie die Scheidung einreichen konnte.«
»Gibt es Indizien dafür?« fragt Gikas.
Ich habe den Scheck vorbereitet und überreiche ihn. »Das ist einer der beiden Schecks, die Karamitris Koustas ausgehändigt hatte.«
»Wie ist er wieder in seine Hände geraten?«
»Er behauptet, er hätte ihn in einem Umschlag in seinem Briefkasten gefunden.«
Beide brechen gleichzeitig in Gelächter aus. »Bereiten Sie mir eine Notiz für die Presseerklärung vor. Auch wenn wir den Mörder noch nicht haben, reicht uns der Anstifter schon, damit wir sagen können, daß wir beide Fälle im Griff haben. Der Anstifter zum Mord an Petroulias ist ja schon bekannt.«
»Die Notiz bekommen Sie morgen früh.«
»Glückwunsch, Sie haben es geschafft«, sagt er, als ich bei der Tür ankomme. Es fällt ihm offensichtlich leichter, mir zu gratulieren, als sich für die Dienstsuspendierung zu entschuldigen.
»Ihr von der Mordkommission seid wie die Kletten«, sagt Stellas lachend. »Ihr laßt euch so leicht nicht abschütteln.«
Deshalb fangen wir auch dann und wann einen Mörder, während ihr noch nie einen Terroristen gefaßt habt, liegt mir bereits auf der Zunge, doch ich schlucke es wieder runter.
Ich stolziere aus Gikas’ Büro, aufgebläht wie ein Truthahn in der Woche vor Weihnachten. Ich rufe Dermitzakis und frage ihn, wie weit man mit der Zeichnung des Weißhaarigen sei.
»Die beiden jungen Leute sind beim Porträtzeichner und arbeiten daran, aber ich glaube nicht, daß sie heute fertig werden«, meint er.
»Hast du Mantas aus dem Korydallos-Gefängnis holen lassen?«
»Nein, ich dachte, wir sehen erst, was mit den beiden Motorradfahrern herauskommt.«
»Laß ihn herbringen, verlier keine Zeit. Wo ist der Hausdurchsuchungsbefehl?«
»Den haben wir morgen früh.«
Ich habe nichts weiter zu tun und will mich gerade auf den Nachhauseweg machen, als noch mal das Telefon klingelt.
»Stratopoulou hier«, sagt eine Stimme. »Erinnern Sie sich, Herr Kommissar?« Der Name sagt mir etwas, doch ich kann ihn nicht einordnen. »Von der Firma San Marin, wir hatten das Segelboot an den später ermordeten Petroulias vermietet«, ergänzt sie, als sie mein Zögern bemerkt.
»Ach ja, jetzt weiß ich es wieder.« War das die Einzelheit, die mir entfallen war? Nein, es war etwas anderes, doch was genau, weiß ich noch immer nicht.
»Ich rufe an, weil das Segelboot gerade auf Trockendock liegt. Als das Boot zurückgebracht wurde, tauchten einige Gegenstände aus Petroulias’ Besitz auf. Anscheinend hatte er sie in einem Schränkchen unter dem Steuerrad verstaut, und niemand dachte daran, dort nachzusehen. Soll ich sie Ihnen vorbeibringen?«
»Wenn es Ihnen nicht zuviel Mühe macht.«
»Ich hinterlege sie Ihnen morgen früh, auf dem Weg ins Büro.«
»Vielen Dank, Frau Stratopoulou.«
Nicht, daß sie von besonderem Interesse wären, doch man soll die Mitbürger, die den Wunsch äußern, den Ermittlungsbehörden zur Seite zu stehen, nicht entmutigen.
55
Schadenfreude = boshafte Freude über das Mißgeschick, Unglück eines anderen.
Schadenfroh = von Schadenfreude zeugend; voll Schadenfreude.
Schadensbegrenzung = das Eindämmen, Begrenzen eines Schadens auf ein möglichst geringes Maß.
Schadlos = in der Verbindung sich [für etwas] [an jmdm. od. etw.] s. halten (sich für einen erlittenen Schaden, einen entgangenen Vorteil o. ä. auf Kosten einer Person od. Sache Entschädigung verschaffen).
An dieser Stelle spüre ich, wie mir das Wörterbuch aus der Hand gleitet. Es scheint, daß mich der Schlaf in dem Augenblick übermannt, als sich Schadenfreude über das Mißgeschick des Ministerialdirektors in mir breit zu machen beginnt.
Am Morgen wache ich voller Tatendrang auf. Zum ersten Mal seit drei Tagen habe ich ohne Alpträume durchgeschlafen. Ich begebe mich eilig in die Dienststelle, um Kosmas Karamitris’ Akte zu schließen.
Der Eingang zum Korridor der dritten Etage erinnert mich an gute alte Zeiten. Kameras, Mikrofone und ein Pulk Journalisten haben die Tür zu meinem Büro versperrt und warten auf meine Ankunft.
»Nur Geduld, Leute, Herr Gikas wird in Kürze eine Presseerklärung abgeben«, sage ich
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