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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Seine Augen sind geschlossen. Es ist Koustas, nachdem sein Tod im Krankenhaus festgestellt wurde.
    Bevor ich zum Obduktionsbefund übergehe, lese ich den Bericht durch. Konstantinos Koustas war ein bekanntes Gesicht des Athener Nachtlebens. Er besaß zwei Nachtklubs: den Edelschuppen Nachtfalter auf dem Posidonos-Boulevard oberhalb von Kalamaki und das Rembetiko, einen etwas heruntergekommenen Amüsierbetrieb auf dem Athinon-Boulevard, etwa in Höhe von Chaidari. Dazu kam noch ein sündhaft teures Nobelrestaurant in Kifissia, das Canantré – was immer das bedeuten mochte.
    Koustas war am vergangenen Mittwoch um halb drei Uhr morgens aus dem Rembetiko gekommen. Dem Türsteher kam es seltsam vor, daß er ohne seine Bodyguards unterwegs war. Als er ihm eine gute Nacht wünschen wollte, erklärte Koustas, er wolle noch nicht gehen, sondern nur etwas aus seinem Wagen holen. Kaum hatte er die Tür zum Fahrersitz geöffnet, trat jemand von hinten auf Koustas zu. In der Dunkelheit konnte der Türsteher sein Gesicht nicht erkennen. Er sah bloß, daß er ein T-Shirt und Jeans trug. Anscheinend sagte er etwas zu Koustas, denn dieser wandte sich um. Unmittelbar danach ertönten die Schüsse und Koustas brach zusammen. Der Mörder rannte zu seinem Komplizen, der schon mit laufendem Motor auf ihn wartete. Er sprang hinten auf, und das Motorrad preschte davon. Der ganze Mord hatte weniger als eine Minute in Anspruch genommen. Der Türsteher lief zu Koustas, sah ihn blutüberströmt daliegen und beeilte sich, einen Krankenwagen und die Polizei zu rufen. Als man ihn in das Dsannios-Krankenhaus einlieferte, war Koustas bereits tot.
    Ich greife nach dem Obduktionsbefund. Die Autopsie hat Kyrilopoulos durchgeführt. Er verfügt zwar nicht über Markidis’ langjährige Erfahrung, doch die ist auch nicht unbedingt nötig, um vier tödliche Schußwunden aus einer Waffe mit einem 38er Kaliber festzustellen. Zwei Kugeln hatten ins Herz getroffen, die dritte in den rechten Lungenflügel. Bei allen drei Wunden handelte es sich um glatte Durchschüsse. Die vierte Kugel war in den Bauchraum eingedrungen und in der Leber steckengeblieben.
    Ich hebe den Hörer ab und rufe nochmals Markidis an. »Es geht um Koustas’ Autopsie. Die hat Kyrilopoulos durchgeführt.«
    »Ja und? Wir haben euch den Befund doch zugeschickt.«
    »Ich habe ihn schon gelesen. Ich wollte nur die Leiche nochmals sehen.«
    »Nichts mehr zu machen. Wir haben sie zur Bestattung freigegeben.«
    Ich lese den Obduktionsbefund ein zweites Mal durch. Irgend etwas geht für mich nicht auf. Profis haben eine sichere Hand, die wissen, wo sie hinschießen müssen. Eine Kugel, höchstens zwei, um ganz sicherzugehen, und das Opfer ist erledigt. Der hier scheint wild drauflosgefeuert zu haben: zwei ins Herz, eine in den rechten Lungenflügel, eine in den Bauch. Auf den ersten Blick sieht das nicht nach einem professionellen Killer aus. Wenn doch, dann war er neu im Geschäft, oder er arbeitet schlampig.
    Ganz am Ende des Aktenordners kommt noch ein zweiter Bericht. Das Motorrad war in der Leonidou-Straße in der Nähe des Finanzamtes von Chaidari aufgefunden worden. Es handelt sich um eine 200er Yamaha mit dem Kennzeichen AZO -526. Sie war zwei Tage zuvor im Stadtteil Maroussi gestohlen worden. Ein gewisser Papadopoulos hatte sie vor einem Monat seinem Stammhalter zum Abitur geschenkt.
    Ich blicke aus dem Fenster und sinniere. Der Diebstahl des Motorrads läßt darauf schließen, daß Profis am Werk waren. Die Schüsse jedoch nicht. Kannte Koustas den Mörder und ging auf ihn zu, um mit ihm zu sprechen? Oder wußte der Mörder bloß, wie Koustas hieß, und redete ihn mit seinem Namen an? Ich bremse mich in meinem Gedankengang, denn es ist noch zu früh, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen.
    Wenn die Antiterrorabteilung recht hat, dann liegt unsere einzige Hoffnung, Licht ins Dunkel zu bringen, in der Athener Unterwelt. Ich nehme den Telefonhörer zur Hand und rufe Vlassopoulos herüber.
    »Wir haben noch eine weitere Sache am Hals: Koustas.«
    »Warum hat die Antiterrorabteilung den Fall abgegeben?«
    »Weil es kein Terroranschlag war. Die picken sich nur die Rosinen aus dem Kuchen.«
    »Ein unbekannter und ein stadtbekannter Toter. Eine nette Kombination«, meint er lachend.
    »Sieh zu, daß du rauskriegst, ob irgendein schmutziges Gerücht in Umlauf ist, das uns dienlich sein könnte.«
    »Wenn da was zirkuliert, krieg ich es raus.«
    Auf dem gegenüberliegenden Balkon hängt eine

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