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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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junge Frau Wäsche auf. Sie trägt einen Minirock, und wenn sie sich zu ihrem Wäscheberg hinunterbückt, blitzt ihr glänzendblaues Unterhöschen hervor. Bis zum vorigen Jahr lebte dort eine alte Frau mit ihrer Katze. Eines Morgens, als ich gerade im Büro saß, bemerkte ich durch die offenstehende Balkontür, daß ein Sarg im Zimmer stand. Darübergebeugt verharrten zwei Greisinnen. Nach einer Weile kam ein Leichenwagen und holte den Sarg ab. Die beiden Alten begleiteten ihn bis vor die Haustür. Anstelle der alten Frau tauchte kaum zwei Monate später ein Pärchen auf. Die junge Frau und ein Muskelprotz mit schulterlanger Mähne und einer Tausendkubikmaschine. Keine Ahnung, was aus der Katze wurde. Vielleicht streunt sie jetzt zwischen den Müllsäcken umher.

6
    E s weht eine leichte Brise, und das Meer funkelt in der Ferne, während Abgaswolken durch das Wagenfenster hereinwehen und mich in der Nase kitzeln. Dermitzakis sitzt am Steuer des Einsatzwagens, und wir fahren gerade den Posidonos-Boulevard entlang. In ganz Athen hat sich der Gestank der Mülltüten breitgemacht, auf dem Küstenboulevard hingegen sind es die Abgase, die die Luft verpesten. Die Leute planschen hier im seichten Wasser oder liegen in der Sonne und saugen gierig die gesunde Meeresluft in ihre Lungen. Ich beobachte, wie eine dürre Frau ihr Kind am Schlafittchen packt und es an Land ziehen will. Doch es zappelt wie früher die Fische im Saronischen Golf, bevor sie für immer in andere, einladendere Fischgründe ausgewandert sind. Vor uns zuckelt ein Anhänger mit einem protzigen Schlauchboot dahin, unterwegs nach Varkisa oder Porto-Rafti.
    Wir aber sind auf dem Weg zu Dinos Koustas’ Haus in Glyfada. Ich hatte sowieso nichts Besseres zu tun. Der Fall mit der unbekannten Leiche würde uns bestimmt noch längere Zeit beschäftigen. Wir brauchten mindestens eine Woche, um jemanden ausfindig zu machen, der ihn identifizieren könnte. Falls wir überhaupt jemanden auftrieben. Zum Rembetiko zu fahren, wo der Mord an Koustas passiert war, erschien zwecklos. Das Etablissement war um diese Zeit geschlossen. So blieb uns als letzter Rettungsanker nur Koustas’ Villa.
    Dermitzakis fährt vom Posidonos-Boulevard ab und bringt den Wagen vor dem Nachtfalter, Koustas’ zweitem Nachtklub, zum Stehen. Ich hatte angeregt, die kürzere Route über den Vouliagmenis-Boulevard zu nehmen. Er aber schlug vor, über die Küstenstraße zu fahren, um einen kurzen Zwischenstopp beim Nachtfalter einzulegen. Wie alle Amüsierschuppen, die darauf angelegt sind, schnell viel Geld zu bringen, ist auch dieses Lokal ein eilig hochgezogener und noch eiliger verputzter Bau aus groben Betonklötzen. Ein Kiesweg führt zum Eingang, und darüber erhebt sich eine Neonreklame, höher als das Gebäude selbst. Dermitzakis klingelt ein paarmal, doch keiner öffnet. Der Nachtfalter schlummert, wie tagsüber alles Nachtgetier.
    »Ein Schlag ins Wasser«, sagt er enttäuscht.
    »War nicht anders zu erwarten, doch ich wollte deinen Tatendrang nicht bremsen.«
    Vom Vassileos-Jeorgiou-Boulevard biegen wir ab und kommen bald auf die Psaron-Straße. Koustas’ Villa liegt hinter einem hohen Betonwall verschanzt, der mit Stacheldraht verziert ist. Die zweiflügelige Eingangstür besteht aus einem Metallgitter, das mit dickem Eisenblech verstärkt ist. Neben der Villa befindet sich eine Garageneinfahrt. Ich drücke auf den Klingelknopf, und unverzüglich flammt eine kleine Kamera auf. Augenscheinlich möchte man hier nur öffnen, wenn einem der Anblick des Gastes behagt.
    »Wer ist da?« hören wir eine Frauenstimme.
    »Charitos, Kriminalkommissar.«
    Mein Anblick scheint sie nicht zu beeindrucken, denn ich erhalte keine Antwort. Man läßt uns ein paar Minuten warten, und dann geht die Gittertür halb auf. Im selben Augenblick versperrt ein Kleiderschrank in der Uniform eines privaten Wachdienstes den Türspalt und hindert uns am Eintreten.
    »Kann ich Ihre Ausweise sehen, meine Herren? Normalerweise führen wir auch eine Leibesvisitation durch, doch wenn Sie Polizeibeamte sind, verzichten wir darauf.«
    »Faß mich nicht an, sonst buchte ich dich ein, bis dich dein Chef gegen Kaution wieder freikauft«, zische ich gereizt.
    Er besinnt sich und verlangt nicht einmal mehr die Ausweise.
    Im Vorhof sind, anstelle von Tomaten und Gurken, Tonfiguren angepflanzt: ein Diskuswerfer, eine Karyatide, ein Kykladenidol, ein Satyr und drei weitere Statuen, die ich nicht einordnen kann. Man schreitet

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