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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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eine Minute dafür brauche.« Sie schlägt die Beine übereinander, doch sie trägt Hosen, und der Theatervorhang bleibt geschlossen – wie ihre Beine heute aussehen, bleibt mir verborgen. »Dinos ist gegen elf Uhr weggefahren. Er sagte mir, daß er zuerst beim Restaurant und danach beim Rembetiko vorbeischauen wollte. Weil ich wußte, daß er, wenn er beide Lokale besucht, üblicherweise nicht vor drei Uhr früh nach Hause kommt, sah ich ein bißchen fern und legte mich dann schlafen. Gegen vier Uhr morgens riß mich ein Telefonanruf aus dem Schlaf, und jemand erklärte mir, daß mein Mann tot sei. Das ist alles.«
    »Hat Ihr Mann jeden Abend dieselbe Tour gemacht?«
    »Ja, mit Ausnahme der Abende, an denen wir zusammen ausgehen wollten. Doch normalerweise ging er immer nur in ein Lokal.«
    »Hatte er irgendeinen bestimmten Grund, an diesem Abend beide Lokale zu besuchen?«
    »Keine Ahnung, Herr Kommissar. Dinos sprach nie über seine Geschäfte.« Bitterkeit schwingt wieder in ihrer Stimme mit, doch ich weiß nicht, ob es die Bitterkeit der Elena Kousta ist, die über die Geschäfte ihres Mannes im Ungewissen gelassen wurde, oder ob es die der Elena Fragaki ist, die aus dem Scheinwerferlicht und dem Beifall der Menge trat und sich urplötzlich in einer Gefängnisfestung eingekerkert wiederfand.
    »Wenn Sie Restaurant sagen, meinen Sie das Canantré in Kifissia?« mischt sich Dermitzakis ein. Er hat den Namen des Speiselokals auf einen Zettel notiert, um ja keinen Fehler zu machen, und buchstabiert ihn mühsam.
    »Wie haben Sie gesagt?« Die Kousta krümmt sich vor Lachen.
    »Canantré. So steht es hier.«
    »Le Canard Doré, Herr Kommissar. Die goldene Ente. Mein Mann hat dem Restaurant einen französischen Namen gegeben, weil es französische Küche bietet. Hätte er das jetzt gehört, würde er sich im Grab umdrehen.«
    Der Gedanke scheint sie mit Schrecken zu erfüllen. Dermitzakis ist knallrot angelaufen, und mir geht der Hut hoch.
    »Polizeibeamte kommen recht und schlecht mit Englisch zu Rande«, sage ich und denke an meine rudimentären Sprachkenntnisse. »Französisch können sie nicht auch noch lernen. Der Staat kommt nicht für Französischunterricht auf, nur damit sie Restaurantschilder richtig lesen können.«
    »Ich kann auch kein Französisch. Aber ich habe den Namen so oft gehört, daß ich ihn auswendig weiß. Wenn Sie Französisch könnten, würden Sie hören, daß meine Aussprache ziemlich schlecht ist.« Sie hat eine entwaffnende Aufrichtigkeit, die sie sympathisch macht.
    »Hatte Ihr Mann Feinde?« frage ich, um das Gespräch wieder aufs Wesentliche zu lenken.
    »Haben Sie denn keine?«
    »Was?«
    »Feinde. Kollegen, die auf Ihren Posten scharf sind und an dem Ast sägen, auf dem Sie sitzen, Straftäter, die Sie umlegen wollen. Kennen Sie so etwas nicht? Ich bin vor fünfzehn Jahren von der Bühne abgegangen, doch noch immer sagt man hinter meinem Rücken, ich wäre mit dem Theaterdirektor ins Bett gegangen, um eine hohe Gage zu bekommen, ich hätte mich aufreizend gekleidet, um die reichen Männer dadurch rumzukriegen. Fünfzehn Jahre war ich mit demselben Mann verheiratet, und immer noch wird man nicht müde, mich als Flittchen zu beschimpfen.«
    Sie hat mich wiederum in Verlegenheit gebracht, denn genau das dachte ich auch, als ich sie damals auf der Bühne sah.
    »Ich weiß, was Sie sagen wollen«, fährt sie fort, »ob er Feinde hatte, die ihm nach dem Leben trachteten … Rotlichtbarone … Schutzgelderpresser …«
    »Ja. Darauf deutet zumindest Ihr Haus hin, das wie eine Festung wirkt.«
    »Nein, Herr Kommissar. Es deutet nur darauf hin, daß Dinos Maßnahmen zu seinem Schutz ergriffen hat.«
    »Ich geh jetzt. Ich nehm den Wagen«, höre ich eine Stimme hinter mir sagen.
    Ich drehe mich um und erblicke einen hochgewachsenen, unrasierten jungen Mann, der noch keine Dreißig ist. Er trägt Jeans, schwarze Cowboystiefel und ein buntes Hemd. Doch das Auffälligste an ihm sind seine Augen. Sein Blick ist trübe und seelenlos und kann sich auf keinen bestimmten Punkt konzentrieren. Er möchte sich irgendwo festkrallen, gleitet aber sofort wieder ab.
    »Dein Vater wollte nicht, daß du den Wagen nimmst.« nie Stimme der Kousta ist sanft und freundlich, nahezu entschuldigend.
    »Mein Vater ist tot. Komm schon, rück die Schlüssel raus.«
    »Du weißt, daß ich sie dir nicht geben kann.«
    Der sanfte Tonfall bleibt selbst in ihrer Ablehnung erhalten. Einen Augenblick lang belebt sich der Blick

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