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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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gebe Adriani im nachhinein recht, daß sie auf meinem Garderobenwechsel bestand. Alle Tische sind besetzt, und wären wir in einer Taverne, würde man kaum sein eigenes Wort verstehen. Doch hier unterhält man sich mit gesenkter Stimme, als säße man zum Essen in der Nationalbibliothek.
    Der dienstbare Geist kommt mit einem Weinkühler und einer Flasche Weißwein. Er dreht die Flasche wie ein Taschenspieler zwischen seinen Handflächen und entkorkt sie. Dann umwickelt er sie mit einer Serviette und läßt zwei Tropfen in mein Glas fallen, bereut es anscheinend wieder, bleibt regungslos mit der Flasche in der Hand stehen und blickt mich an.
    »Was guckst du denn so? Schenk ein!« sage ich.
    Er wirft mir einen befremdeten Blick zu und füllt mein Glas. Der Wein duftet fruchtig und hat einen leichten, süßsauren Geschmack.
    Unvermittelt bleibt mein Blick in der Mitte der Terrasse am Exminister mit den hohen Umfragewerten hängen. Er sitzt am Kopfende der Tafel und ißt mit fünf weiteren Personen, drei Männern und zwei Frauen. Alle naselang hebt er den Kopf vom Teller und blickt umher, als erwarte er, von irgend jemandem erkannt und begrüßt zu werden. Doch den Gästen des Canard Doré gehen Minister am Arsch vorbei, insbesondere Exminister. Sie denken in höheren Kategorien und machen ihre Deals direkt mit dem Premierminister. Mit seinem Beliebtheitsgrad kann er hier nicht punkten, selbst wenn er den Prozentsatz seines Parteichefs überboten hat.
    Das Entrecôte trieft vor Blut. Ich blicke auf Adrianis Teller, und an den zarten runden Röstkartöffelchen erkenne ich, daß man ihr dieses Bourguignon oder wie das heißt gebracht hat.
    »Na, schmeckt’s?« fragt mich Adriani.
    »Und dir?«
    »Vorzüglich.«
    Mir bleibt das Entrecôte im Hals stecken, weil ich den Eindruck habe, daß ich eines jener Mordopfer verspeise, die jeden Tag vor mir Revue passieren. Also stehe ich auf, um mit dem Geschäftsführer zu sprechen. Als ich auf das Restaurant zusteuere, komme ich am Tisch des Exministers vorbei. Er hebt den Kopf und blickt mich an. Er wartet darauf, daß ich ihn grüße, doch er geht mir genau wie allen anderen am Arsch vorbei. Nicht, weil ich mit dem Premierminister per du wäre, sondern weil allein Gikas mein Geschick bestimmt.
    Im Erdgeschoß des Restaurants befinden sich rechts und links zwei große Räume, die im Winter wohl als Speisesäle dienen. Eine Holztreppe führt in die erste Etage, wo sich weitere Räumlichkeiten erstrecken. Die Wände sind mit Holz getäfelt und mit ganz wenigen Bildern geschmückt. Außer dem Oberkellner steht noch ein anderer Mann in der Vorhalle. Er ist groß, schlank und steckt in einem teuren Anzug. Ich denke mir sofort, daß er der Geschäftsführer ist, doch ich gehe lieber auf Nummer Sicher.
    »Ich hätte gerne den Geschäftsführer des Restaurants gesprochen.«
    »Den haben Sie vor sich.«
    »Kommissar Charitos.«
    »A ja, richtig«, sagt er schnell. Scheinbar hat ihn die Kousta vorbereitet. »Was kann ich für den Herrn Kommissar tun?« Zwei von drei griechischen Wörtern betont er falsch, ›r‹ und ›g‹ lassen sich in seiner Aussprache kaum auseinanderhalten, doch er kann sich verständlich machen.
    »Ich möchte Ihnen einige Fragen stellen. Ich werde Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen.« Anscheinend stehe ich unter dem Einfluß des hiesigen Umgangstons und bin höflicher als gewöhnlich.
    »Ich stehe Ihnen voll und ganz zur Verfügung.«
    »Dinos Koustas ist doch an dem Abend, als er ermordet wurde, zuerst hier vorbeigekommen, bevor er in sein Nachtlokal fuhr, nicht wahr?«
    »Richtig.«
    »Können Sie sich erinnern, um welche Uhrzeit er gekommen ist?«
    »Ich habe nicht auf die Uhr gesehen, aber er kam immer zur selben Zeit. Um elf.«
    »Und wann ist er weggegangen?«
    Er denkt nach. »Hm … Um Mitternacht … Eine halbe Stunde nach Mitternacht vielleicht?«
    »Als er ging, trug er da irgend etwas bei sich?«
    »Was meinen Sie? Ein Freßpaket?«
    Er lacht über seinen Witz, doch mir geht er mit seiner falschen Betonung und mit der Gewohnheit, auf jede Frage mit einer Gegenfrage zu antworten, schon langsam auf den Keks.
    »Weiß ich doch nicht, ich habe dich gefragt. Hat er was dabeigehabt?« Griechen kann man mit dem abrupten Wechsel zum Du normalerweise einschüchtern, doch den da läßt das vollkommen kalt.
    »Essen? Nein.«
    »Hat er vielleicht etwas anderes bei sich gehabt? Geld etwa?«
    »Sind wir etwa eine Bank, Herr Kommissar?«
    »Ich behaupte nicht,

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