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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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zuerst den Nachtfalter aufgemacht?«
    »Nein. Zunächst das Rembetiko, danach den Nachtfalter und zuletzt das französische Restaurant. Mein Mann hat alles aus eigener Kraft geschafft, Herr Charitos, und wie alle Aufsteiger hat er sich Stufe für Stufe hochgearbeitet. Tja, so war das eben. Damals hatten die Mikrofone in den Varietés lange Kabel, die wir hinter uns herschleifen und unter das Publikum mitnehmen mußten. Dinos kam off ins Theater. Er saß immer in der zweiten oder dritten Reihe nahe beim Mittelgang. Wenn ich ihn sah, kam ich von der Bühne herunter, setzte mein schönstes Lächeln auf, und im Vorbeigehen streifte ich seine Schulter …«
    Und dann hast du auch den Theatervorhang geöffnet und ein wenig Bein gezeigt, denke ich, doch das schlucke ich hinunter, weil ich mich vor Adriani geniere.
    »Ich wollte nicht seine Geliebte sein«, sagt sie, als hätte sie meine Gedanken erraten. »Das meinten zwar alle, doch so war es nicht. Ich wollte seine Aufmerksamkeit erregen, damit er mich für den Nachtfalter engagiert. Beim dritten oder vierten Mal schickte er mir Blumen in die Garderobe, und danach führte er mich zum Essen aus. Seine Frau hatte ihn und seine beiden Kinder gerade verlassen. Wir sind ein paarmal ausgegangen. Seine Gesellschaft war angenehm und sagte mir zu, doch er verlor kein Wort über den Nachtfalter. Schließlich schlug er mir statt des Engagements vor, ihn zu heiraten. Ich dachte kurz darüber nach und sagte ja. Das kann man in gewisser Weise als Einwickeln betrachten.«
    »Warum aber …?« fragt Adriani. »Warum haben Sie Ihre Karriere aufgegeben?«
    »Weil ich fünfunddreißig war, Frau Charitou. Wenn man in meinem Metier bis dahin nicht ein Star ist, dann endet man als Tingeltangelsängerin in der Provinz. Und ich war kein Star, da konnte ich mir nicht in die eigene Tasche lügen.« Sie macht eine kleine Pause, um mir zuzulächeln. »Ich habe Ihnen das alles erzählt, Herr Kommissar, damit Sie es von mir selbst erfahren und nicht von jemandem, der mich in Verruf bringen will.«
    Als ich meine Brieftasche zücke, winkt sie entschieden ab. »Beim nächsten Mal«, sagt sie. »Heute abend sind Sie meine Gäste. Wer weiß, vielleicht bringen Sie mir Glück, und ich finde hier einen neuen Lebensinhalt.« Obwohl ich damit gerechnet hatte, daß man mich nicht bezahlen lassen würde, hatte ich doch für alle Fälle genügend Geld eingesteckt.
    »Das war ein toller Abend«, meint Adriani, während ich den Mirafiori starte, und drückt mir einen Kuß auf die Backe. Den zweiten an einem einzigen Abend. In letzter Zeit verwöhnt sie mich nach Strich und Faden.
    »Wie findest du die Kousta?« frage ich sie.
    »Eine tolle Frau. Und überhaupt nicht eingebildet auf ihren Ruhm.«
    »Und was hältst du davon, was sie von ihrem Mann erzählt hat?«
    »Du meinst, daß sie ihn eingewickelt hat? Ich muß sagen, ich ziehe den Hut vor ihrer Aufrichtigkeit. Aber im Grunde gehen alle Frauen so vor. Wenn du wüßtest, was ich alles angestellt habe, um dich herumzukriegen …«
    Ich steige auf die Bremse und werfe ihr einen Blick zu. Sie lächelt triumphierend. Was denn? – möchte ich fragen, doch ich lasse es lieber bleiben. Besser, ich weiß es nicht.
    In den drei Stunden unserer Abwesenheit haben sich die Müllberge auch auf dem ganzen Gehsteig der Aristokleous-Straße aufgetürmt und reichen bis zu unserer Haustür. Adriani krallt sich an mir fest und vollführt einen doppelten Rittberger, um über zwei Mülltüten hinweg zum Eingang zu springen.
    »Es gibt Leute, die läßt einfach alles kalt«, schnauzt sie aufgebracht. »Hören die denn nicht die ständigen Durchsagen im Radio und im Fernsehen, daß man seinen Müll im Moment zu Hause lagern soll?«
    »Die hören so viel, das geht denen beim einen Ohr rein und beim anderen raus«, meine ich und springe ihr durch die Haustür nach.

14
    K oustas’ Bankkonten auf der National Bank und der Handelsbank wurden in Filialen im Stadtteil Glyfada eröffnet. Ich beschließe, in aller Frühe dorthin aufzubrechen, noch bevor ich ins Büro gehe. Ich möchte die beiden Filialleiter dazu bewegen, mir ohne Genehmigung seitens der Staatsanwaltschaft Einsicht in die Konten zu gewähren. Denn wenn ich erst zum Staatsanwalt muß, sind schnell ein paar Tage verplempert. Sollte Koustas tatsächlich Geld abgehoben haben, dann war es wohl für den Mörder bestimmt. Bleibt die Frage, was aus dem Geld geworden ist. Sollte er hingegen kein Geld abgehoben haben, dann roch das

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