Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
Ganze nach einem schmutzigen Geschäft. Bei beiden Überlegungen gehe ich im Grunde von derselben Annahme aus: daß Koustas mit dem Täter verabredet war und im Wagen allein mit ihm sprechen wollte. Deshalb hatte er ihn aufgeschlossen, und deshalb hielt er seine Leibgarde zurück, die ihn begleiten wollte. Als ihn der Täter ansprach, drehte er sich um, um ihm zu antworten. Nun stank die ganze Sache in beiden Fällen zum Himmel – denn ob Koustas dem Täter nun um halb drei Uhr morgens Geld übergeben wollte oder sich mit ihm verabredet hatte, in beiden Fällen hatte der Mord mit Koustas’ schmutzigen Geschäften zu tun.
    Von der Imittos-Straße biege ich in den Vouliagmenis-Boulevard ein. Der gestrige Hitzeschock ist in einen trüben Tag voll tief hängender Wolken und erdrückender Schwüle übergegangen. Immer wieder wische ich meine Handflächen mit dem Taschentuch ab, weil mir das Lenkrad aus den verschwitzten Fingern zu gleiten droht. Glücklicherweise lockert sich der Verkehr nach Brachami ein wenig auf, und gleichzeitig steigt auch meine Stimmung, denn ich komme schneller vom Fleck und spüre den kühlenden Fahrtwind im Gesicht.
    Ich brauche an die fünfundvierzig Minuten, um zur Handelsbank zu gelangen. Es ist eine neu eröffnete Filiale, mit moderner, in Blauweiß gehaltener und der griechischen Nationalflagge nachempfundener Ausstattung. Vor jedem Schreibtisch stehen jeweils zwei Besucherstühle, die alle frei sind. Denn außer drei weiteren Kunden in der Warteschlange an der Kasse bin ich der einzige Besucher. Ich zähle um die zehn Abteilungsleiter. Die Anzahl der einfachen Bankangestellten beläuft sich auf drei. Ich trete auf eine Angestellte zu, die über ein Schriftstück gebeugt ist, und verlange den Filialleiter zu sprechen. Ohne den Kopf zu heben, streckt sie ihren Arm aus und deutet auf die Treppe.
    Der Filialleiter ist um die Vierzig. Ich weiß nicht, wie er dazu kommt, mich für einen Finanzhai zu halten, der mit seiner Filiale ins Geschäft kommen möchte. Denn anders kann ich sein gewinnendes Begrüßungslächeln nicht deuten. Als ich sage, wer ich bin und was ich wünsche, verfinstert sich seine Miene merklich.
    »Die Informationen,, Sie von mir verlangen, unterliegen dem Bankgeheimnis«, meint er.
    »Weiß ich doch. Aber Koustas wurde ermordet. Ich bin weder ein Verwandter noch ein Erbe. Ich bin Kommissar und ersuche Sie, mir bei den Ermittlungen zu helfen.«
    Er sitzt in der Zwickmühle, aber er macht mir das Leben nicht schwerer als nötig. Er wägt bloß die Folgen für sich selbst ab. »Ich kann keinen detaillierten Kontoauszug herausgeben. Und Sie dürfen ihn nur hier einsehen.«
    »Das reicht mir.«
    »Sie verstehen, wenn das rauskommt, bin ich meinen Job los.«
    »Es kommt nicht raus. Sie haben mein Wort.«
    Er nimmt den Hörer und verlangt nach Koustas’ Kontoauszug. Die junge Frau, die mir so charmant den Weg zum Büro des Filialleiters gewiesen hat, bringt ihn sogleich.
    Ich nehme den Kontoauszug und gehe ihn durch. Es gibt tägliche Einzahlungen von ungefähr fünf Millionen, aber es gibt keine Abhebung einer größeren Summe, weder am Tag noch am Vortag des Mordes. Ich lasse den Kontoauszug beim Filialleiter zurück und mache mich auf den Weg. Wenn Koustas Geld abgehoben hat, um am Abend des Mordes jemanden zu bezahlen, dann nicht vom Konto der Handelsbank.
    Die Filiale der National Bank liegt nur ein paar Schritte entfernt, bietet aber ein vollkommen anderes Bild als die Handelsbank. Hier sind die leitenden Angestellten in der Minderheit und die einfachen Bankbeamten in der Überzahl, und die Warteschlangen an den Kassen erinnern an das Finanzamt am letzten Tag der Einreichungsfrist für die Steuererklärung. Die beiden Stühle vor dem Schreibtisch des Filialleiters sind besetzt, und ich warte vor der Tür, bis sie frei werden.
    Als ich nach einer halben Stunde eintrete und darlege, was ich möchte, hebt er die Arme, um zu signalisieren, daß es ihm unmöglich ist, mein Ansinnen zu erfüllen. »Leider kann ich nichts für Sie tun. Ich bin an das Bankgeheimnis gebunden.«
    »Ich weiß, aber Ihr Kunde ist ermordet worden, und wir versuchen, den Schuldigen zu finden.«
    »Unser Kunde ist zwar ermordet worden, doch er hat Erben hinterlassen, deren Namen ich in diesem Augenblick nicht kenne – offiziell zumindest.«
    »Ich verlange ja nicht nach Kopien des Kontostandes, der interessiert mich gar nicht. Es reicht, wenn Sie mir sagen, ob Koustas am Tag oder Vortag des Mordes eine

Weitere Kostenlose Bücher