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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Schlagzeilen der Presse auftauchte. Der kurze Blick auf Koustas’ Konten bei der Handelsbank erlaubt aber keine solchen Rückschlüsse. Und wenn ich einen staatsanwaltlichen Bescheid erwirke und veranlasse, seine Konten offenzulegen, handle ich Gikas’ ausdrücklichen Anweisungen zuwider.
    Ich setze mich an meinen Schreibtisch und nehme mir die Aussage des Deutschen in der griechischen Übersetzung vor. Sie ist nicht lang, nur einige Zeilen.
    »Ich habe gesehen, wie der unbekannte Mann mit der jungen Frau auf dem Marktplatz des Hauptortes von Santorini spazierenging. Sie liefen Hand in Hand. Die junge Frau war mittelgroß und hatte langes, blondes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Ich kann ihr Alter nicht einschätzen. Sie wirkte wie zwanzig, war aber wohl älter. Später habe ich sie noch einmal getroffen. Ich saß in einer Taverne beim Essen, und sie setzten sich an den Tisch gegenüber. Danach habe ich sie nicht wiedergesehen.«
    Ich blicke auf die Zeugenaussage und versinke in Gedanken. Die einzige neue Erkenntnis ist, daß die junge Frau blond war und lange Haare hatte. Will heißen, wir suchen eine Stecknadel im Heuhaufen. Überall laufen blonde junge Frauen herum. Durch die Aussage wird nicht einmal klar, ob ihr Haar von Natur aus blond war oder gefärbt.
    Auf dem gegenüberliegenden Balkon hält der Muskelprotz mit der schulterlangen Mähne die Kleine im Arm und tätschelt sie. Sie hat sich an ihn gedrängt, und er küßt sie auf Haar, Hals und Lippen. Das Klingeln des Telefons reißt mich von dem Anblick los. Es ist der Polizeiobermeister von der Insel.
    »Er hat nirgendwo auf der Insel gewohnt, Herr Kommissar«, sagt er. »Wir haben alles sorgfältig nachgeprüft. Hotels, Privatunterkünfte …«
    »Hat ihn jemand wiedererkannt?«
    »Nur der Besitzer des Kafenions am Marktplatz. Er saß mit zwei anderen zusammen, und sie tranken Kaffee.«
    Ich wittere Morgenluft: Die beiden mußten seine Mörder gewesen sein. Folglich war er mit ihnen bekannt. »Gibt es eine Personenbeschreibung der beiden?«
    »Nur eine sehr vage. Einer soll eher brünett, der andere eher schwarzhaarig gewesen sein. Aber dem Besitzer des Kafenions kamen sie wie Ausländer vor.«
    »Ist er da sicher?«
    »Nicht ganz, denn jedes Mal, wenn er sich dem Tisch näherte, wurde das Gespräch abgebrochen.«
    »Und was ist mit der jungen Frau?«
    »Die hat er gar nicht gesehen. Nur ihn und die beiden anderen. Verstehen Sie«, fügt er hinzu, um sich zu rechtfertigen, »wie sollen sich die Leute bei dem ganzen sommerlichen Fremdenverkehr auf der Insel auch noch an einzelne Gesichter erinnern?«
    »Vielen Dank, Herr Polizeiobermeister«, sage ich und lege den Hörer auf die Gabel.
    Wenn er nicht auf der Insel wohnte, wie war er dann überhaupt dorthin gelangt? War er mit dem Tragflügelboot angereist, zusammen mit seinen Mördern? Nicht von der Hand zu weisen, da er sie doch kannte. Vielleicht war er mit der Fähre gekommen, um länger zu bleiben, wurde jedoch um die Ecke gebracht, bevor er sich ein Zimmer suchen konnte. Und die junge Frau? Der Germane hatte sie zusammen auf Santorini gesehen. Möglicherweise hatte Dermitzakis recht, als er von einem schnellen Urlaubsfick ausgegangen war. Außer, die Täter hatten die junge Frau auf ihn angesetzt, um ihn besser verfolgen zu können.
    In meinen Gedanken beginnt sich nach und nach ein Bild zu formen. Der Unbekannte kommt auf die Insel. Entweder mit der Fähre in Begleitung der jungen Frau, schafft es aber nicht, ein Zimmer zu beziehen, da er auf seine Mörder trifft, oder alle reisen zusammen mit dem Tragflügelboot an – er, die junge Frau und die beiden Täter. Die zweite Variante gefällt mir besser. Die junge Frau ist eingeweiht und läßt die drei die Sache in aller Ruhe besprechen. Sie fahren mit ihm auf den Berg, erwürgen ihn und verscharren ihn. Und danach verschwinden alle auf Nimmerwiedersehen, sowohl die Täter als auch die junge Frau.

16
    M eine Rückenschmerzen sind wieder da, noch schlimmer als zuvor. Sie ziehen sich nun bis in die Brust. Ich muß nicht lange darüber nachbrüten, um den Grund herauszufinden. Die drei Stunden, die ich völlig durchnäßt im Mirafiori zugebracht habe, liegen als Ursache auf der Hand. Ich setze mich vor den Fernseher und beiße die Zähne zusammen. Denn wenn ich etwas darüber verlauten lasse, wird mir Adriani gehörig den Marsch blasen.
    Die Tagesschau hebt mit ihrem Lieblingsthema an: den Regenfällen. Genauer gesagt werden

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