Nachtfalter
öffnet mir anstelle der Philippinin, die ich eigentlich erwartet hatte, die Kousta persönlich. Sie trägt Jeans, einen Pullover und Pumps und ist vollkommen ungeschminkt. Im geräumigen Flur stehen übereinandergestapelte Umzugskartons. Ein Telefontischchen und ein Sessel mit niedriger Rückenlehne haben bereits ihren Platz gefunden. Die übrigen Möbelstücke stehen verstreut umher und warten, bis sie an der Reihe sind. Die Kousta führt mich in ein helles Wohnzimmer, und dort treffe ich auf Niki, Dinos Koustas’ Tochter aus erster Ehe. Sie hat gerade einen Sessel in eine Ecke gerückt, ist zwei Schritte zurückgetreten und prüft nun aus der Entfernung, ob der Platz passend ist. Im übrigen Wohnzimmer herrscht noch größere Unordnung als im Flur. Durcheinandergewürfelte Kartons stauen sich überall – in der Mitte des Zimmers, auf dem Sofa, auf den Stühlen und auf dem Tisch, während die Zugänge zu den Zimmern durch Möbelstücke versperrt sind, an denen man sich nur mit Müh und Not vorbeizwängen kann. Mit meinem Fuß stoße ich ans Tischbein und stolpere. Der Krach bringt Niki Kousta dazu, sich umzuwenden.
»Passen Sie bloß auf«, sagt Elena zu mir. »Entschuldigen Sie das Durcheinander, aber ich bin erst vorgestern umgezogen.«
»Gut, daß ich Sie hier antreffe«, sage ich zu Niki. »Sie ersparen mir damit eine weite Autofahrt.«
»Ich habe mir Urlaub genommen, um Elena beim Einrichten zu helfen.«
Die weiße edle Katze streift im Wohnzimmer umher und schnuppert in den Ecken, an den Kartons und Möbeln, sie läßt nichts ungeprüft. Als sie mich erblickt, läßt sie von ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit ab, stellt sich mir in den Weg und beginnt völlig außer sich zu miauen.
»Jetzt sei aber brav, Mitsi. Laß den Herrn Kommissar in Ruhe, er tut dir doch nichts«, sagt Elena zu ihr, während sie die Kartons von einem der Stühle räumt, um mir einen Sitzplatz frei zu machen. »So benimmt sie sich allen Fremden gegenüber. Sie ist eine verzogene Eigenbrötlerin«, sagt sie entschuldigend, als spreche sie über ihre Tochter.
»Wozu sind Sie denn so Hals über Kopf umgezogen, Frau Kousta?« So wie ich es sage, klingt es wie eine freche Unterstellung. Doch ich muß die Frage loswerden.
»Ich wollte das Haus in Glyfada Makis überlassen«, entgegnet sie schlicht. »Es steht ihm auch zu, da er dort geboren und aufgewachsen ist. Nach Dinos’ Tod war ich ein störender Fremdkörper.«
Makis hatte mir das am Telefon schon ganz treffend geschildert: Er machte ihr das Leben zur Hölle, worauf sie ihre Sachen packte und auszog.
»Außerdem liegt Glyfada sehr weit vom Canard Doré entfernt«, fügt sie hinzu, als habe sie meine Gedanken gelesen und wolle sich rechtfertigen. »Ich mußte jeden Abend eine kleine Weltreise auf mich nehmen, während ich hier praktisch nebenan wohne.«
Niki hat ihre Arbeit unterbrochen und verfolgt die Kousta mit ihren Blicken. Sie trägt ihr unschuldiges Lächeln zur Schau, doch scheint darin auch die Bewunderung für ihre Stiefmutter durch. Schließlich geht sie auf sie zu und umarmt sie. Auch ich habe großen Respekt für die Art, mit der sie ihr Leben in die Hand nimmt – daß sie die bitteren Pillen hinunterschluckt, ohne viel Aufhebens davon zu machen. Ich denke, daß sie, selbst wenn Makis sie grün und blau geschlagen hätte, mit erhobenem Kopf gegangen wäre, ohne ein Wort darüber zu verlieren oder ihn bloßzustellen.
»Wußten Sie, daß Dinos Koustas eine Fußballmannschaft, nämlich Triton, besessen hat?«
»Natürlich«, antworten mir beide wie aus einem Mund.
»Und wieso haben Sie mir das nicht gesagt?«
»Weil wir angenommen haben, daß Sie Bescheid wissen, Herr Kommissar«, entgegnet Elena Kousta. »Wie Sie sich erinnern werden, hatten Ihre Kollegen den Fall bereits untersucht, bevor Sie ihn übernommen haben. Da haben wir uns gedacht, daß Sie bereits darauf gestoßen sind. Es war ja auch kein Geheimnis.«
Richtig, diese Tatsache war kein Geheimnis, und sie hatten keinen Grund, sie mir vorzuenthalten. Die Antiterrorabteilung hatte schlicht und ergreifend jegliches Interesse an dem Fall verloren, sobald sich herausstellte, daß es sich um keinen Terroranschlag handelte, und nicht mehr weiter nachgeforscht.
»Wissen Sie, ob Ihrem Mann noch eine andere Fußballmannschaft außer Triton gehörte?«
»Nein. Die Auskunft über seine Vermögenswerte, die uns der Rechtsanwalt gegeben hat, bezieht sich nur auf Triton. Er hatte keine andere Mannschaft,
Weitere Kostenlose Bücher