Nachtflamme: Roman (German Edition)
niemand angerufen, während du weg warst, aber ich habe das Schriftstück fertig gemacht und ausgedruckt. Es liegt auf deinem Schreibtisch.
»Gut. Hör mal, Layla …«
»Ich wusste allerdings nicht, ob es zu Mr Edwards auch etwas zu schreiben gibt, oder …«
»Okay, okay, stell die Vase mal ab.« Er nahm ihr die Vase aus den Händen und stellte sie auf einen Tisch.
»Sie sind schon …«
»Hör auf. Ich war nicht ganz bei mir, und ich möchte mich entschuldigen.«
»Das hast du bereits getan.«
»Dann entschuldige ich mich eben noch mal. Ich möchte nicht, dass du dich hier unwohl fühlst, weil wir eine Büro-Affäre haben, und der erste Schritt ist von mir ausgegangen. Ich hatte nicht vor … dein Mund war einfach da.«
»Mein Mund war einfach da?« Ihr Tonfall klang auf einmal gefährlich süß. »In meinem Gesicht, unter meiner Nase und über meinem Kinn?«
»Nein.« Er rieb sich mit den Fingern über die Stirn. »Ja, nein. Dein Mund war … ich habe einfach vergessen, dass ich so etwas nicht tun sollte. Ich plädiere auf mildernde Umstände oder vielleicht auch zeitweilige Umnachtung.«
»Du kannst meinetwegen plädieren, auf was du willst, aber vielleicht überlegst du dir auch mal, dass mein Mund, der einfach da war, keineswegs Wörter formuliert hat wie Nein, Stopp oder Zum Teufel, lass mich in Ruhe. Das kann er nämlich durchaus auch.«
»Okay.« Er schwieg einen Moment lang. »Das ist alles ziemlich peinlich.«
»Bevor oder nachdem deine Mutter ins Spiel gekommen ist?«
»Da wurde es eher zur Farce.« Er steckte die Hände in die Taschen. »Soll das heißen, dass du mich nicht wegen sexueller Belästigung verklagst?«
Sie legte den Kopf schräg. »Kann ich davon ausgehen, dass du mich nicht entlässt?«
»Ja. Also alles wieder gut?«
»Bestens.«
Sie ergriff die Vase und stellte sie auf den richtigen Tisch. »Ach, übrigens, ich habe neue Patronen für den Drucker bestellt.« Sie blickte ihn an, die Mundwinkel ganz leicht hochgezogen.
»Gut. Ich bin dann mal …« Er wies auf sein Büro.
»Und ich bin …« Sie zeigte auf ihren Schreibtisch.
»Okay.« Er wandte sich zum Gehen. »Okay«, wiederholte er. Dann fiel sein Blick auf den Vorratsschrank. »Oh, Mann.«
4
Um Viertel vor fünf begleitete Fox die letzte Mandantin des Tages zur Tür. Braune Blätter wirbelten über den Bürgersteig, und eine Gruppe von Jugendlichen in Kapuzenpullis trotzte dem Märzwind. Sie wollten bestimmt ins Center gehen, dachte Fox, um vor dem Abendessen noch ein bisschen zu spielen.
Es hatte eine Zeit gegeben, in der auch er bei Wind und Wetter ins Bowlingcenter gelaufen war. Noch letzte Woche war er dort gewesen. Wenn ihn das zum Zwölfjährigen machte, konnte er damit leben. Manche Dinge änderten sich eben nie.
Er hörte, wie Layla einem Anrufer sagte, Mr O’Dell sei morgen bei Gericht, aber sie könne ihm einen Termin später in dieser Woche geben.
Als er sich umdrehte, gab sie etwas in den Computer ein. Vermutlich notierte sie auf ihre effiziente Art gleich den Termin im Kalender. Er konnte ihre Beine sehen, und als sie sich zu ihm umdrehte, flatterten Schmetterlinge in seinem Bauch. Nein, in dieser Hinsicht war er ganz sicher nicht mehr zwölf. Gott sei Dank änderten sich manche Dinge eben doch.
Anscheinend hatte er ein dummes Gesicht gemacht, denn sie legte den Kopf schief. »Was ist?«
»Nichts. Ich habe nur so ein bisschen vor mich hin philosophiert. War was Wichtiges?«
»Nein, nichts Dringendes. Es ging um eine berufliche Partnerschaft – zwei Frauen, die gemeinsam eine Kochbuchreihe schreiben wollen. Sie glauben, es werden Bestseller, und deshalb wollen sie vorher eine Gesellschaft gründen. Du hast diese Woche viel zu tun.«
»Dann kann ich mir heute Abend bestimmt chinesisches Essen leisten, wenn du noch Lust dazu hast.«
»Ich muss nur noch alles abschließen.«
»Ja, mach das. Ich räume auch noch schnell auf. Wir können durch die Küche hinaufgehen.«
In seinem Büro fuhr Fox seinen Computer herunter, ergriff seine Aktentasche und überlegte, in welchem Zustand sich seine Wohnung befand.
Das war wohl ein weiterer Bereich, in dem er ewig zwölf bleiben würde.
Jetzt konnte er sowieso nichts mehr daran ändern.
Er ging in die Küche, in der Mrs Hawbaker neben Mikrowelle, Kaffeemaschine und Geschirrspüler auch Plätzchen aufbewahrte.
Wer würde so etwas machen, wenn Mrs H ihn verließ? Wehmütig drehte er sich um, als Layla hereinkam.
»Sie kauft die Vorräte von dem
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