Nachtflamme: Roman (German Edition)
ich in den Wald. Er wartete immer auf mich. Und die Liebe aus allen Leben erblühte aufs Neue, im grünen Wald, im Geheimen. Wieder war ich die Seine, wie ich es immer gewesen war und immer sein werde.‹«
Quinn hielt inne und seufzte. »Das ist der erste Eintrag. Sehr schön.«
»Hübsche Worte sind keine Waffe«, warf Gage ein. »Sie bieten dir keine Antworten.«
»Da bin ich anderer Meinung«, erklärte Cybil. »Und ich finde, sie hat es verdient, dass wir auch diese Worte lesen. Aus allen Leben«, fuhr sie fort und betrachtete nachdenklich ihre Notizen. »Offensichtlich wusste sie, dass Dent und sie Reinkarnationen des Wächters und seiner Gefährtin waren. Und er wartete darauf, dass sie es akzeptierte. Er stieß sie nicht gleich mit der Nase darauf und stellte sie vor vollendete Tatsachen, so nach dem Motto, in ein paar hundert Jahren werden unsere Nachfahren den großen bösen Dämon bekämpfen.«
»Ja, Cyb hat recht«, sagte Quinn. »Jedes einzelne Wort von ihr ist wichtig, weil sie es geschrieben hat. Es ist schwer, die Zeilen nicht einfach ungeduldig zu überfliegen und nach irgendeinem Zauberspruch gegen den Dämon zu suchen.«
Layla schüttelte den Kopf. »So funktioniert das sowieso nicht.«
»Nein, das glaube ich auch nicht. Soll ich weiterlesen?«
»Ja, von ihrem Standpunkt aus erschließt es sich für uns am besten.« Fox blickte Gage und Cal an. »Lies weiter, Quinn.«
Sie las von Liebe, vom Wechsel der Jahreszeiten, von Pflichten und stillen Momenten. Ann schrieb vom Tod, vom Leben, von neuen Gesichtern. Sie schrieb von den Menschen, die zur Hütte im Wald kamen, um Heilung zu suchen. Sie schrieb von ihrem ersten Kuss neben einem Fluss, dessen Wasser in der Sonne glitzerte. Sie schrieb davon, wie sie mit Giles in der Steinhütte saß, vor einem flackernden Feuer, während er ihr erzählte, was vorher gewesen war.
»›Er sagte zu mir, die Welt sei alt, älter, als der Mensch ahnt. Es ist nicht so, wie wir es gelernt haben, wie es uns der Glaube unserer Eltern lehrt. Oder jedenfalls ist das nicht alles. Denn er sagte, in diesen uralten Zeiten, bevor es Menschen gab, gab es andere. Es gab Dunkle und Helle. Das war ihre eigene Wahl, denn wir haben immer die Freiheit zu wählen. Diejenigen, die das Licht wählten, wurden Götter genannt, und die Dunklen waren die Dämonen.
Es gab Tod und Blut, Schlachten und Krieg, und als die Menschen entstanden, wurden sowohl Dunkle als auch Helle vernichtet. Die Menschen breiteten sich über die Welt aus, sie regierten die Welt. Die Dämonen aber hassten die Menschen noch mehr als die Götter. Sie verachteten und beneideten sie um ihren Verstand und ihre Herzen, um ihre verletzlichen Körper, ihre Bedürfnisse und ihre Schwächen. Die Menschen fielen den Dämonen, die überlebt hatten, zum Opfer. Die Götter, die überlebt hatten, wurden Hüter. Schlachten wurden geschlagen, bis es schließlich nur noch zwei gab, einen Hellen und einen Dunklen. Einen Hüter und einen Dämon. Der Hüter verfolgte den Dämon, aber der Dämon war geschickt und entkam immer wieder. In der letzten Schlacht wurde der Hüter tödlich verwundet und lag sterbend da, als ein kleiner Junge vorbeikam, unschuldig und mit reinem Herzen. Sterbend übergab der Gott ihm seine Macht und seine Last. So wurde der Junge, ein Sterblicher mit der Macht der Götter, ein Hüter. Aus dem Jungen wurde ein Mann, der den Dämon jagte. Und er wurde ein Mann, der eine Frau mit Zauberkräften liebte, sie bekamen einen Sohn. Diesem Sohn übergab der Hüter seine Macht und seine Last, als er starb, und so geschah es immer weiter, Lebenszeit um Lebenszeit, bis zu dieser Zeit und diesem Ort. Und jetzt, sagte er, seien wir an der Reihe.
Ich wusste, dass er die Wahrheit sagte, denn ich sah alles im Feuer, während er sprach. Ich verstand die Träume, die ich mein ganzes Leben lang gehabt hatte und die ich nie jemandem zu erzählen gewagt hatte. Dort, im Feuerschein, gelobte ich ihm ewige Treue und gab mich ihm hin. Ich würde nie wieder ins Haus meines Vaters zurückgehen, sondern mit meinem Liebsten im Wald wohnen, in der Steinhütte neben dem Altar, den Giles Heidenstein nannte.‹«
Quinn lehnte sich zurück. »Entschuldigung, meine Augen brennen.«
»Fürs Erste ist es auch genug.« Cal reichte ihr ein Glas Wasser. »Es ist ja schon eine ganze Menge.«
»Es weist Übereinstimmungen mit einigen Legenden und Überlieferungen auf.« Cybil studierte ihre Notizen. »Die Schlachten, das Weitergeben der
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