Nachtflamme: Roman (German Edition)
Mantel, Schreibtischschublade, Tasche. Er ging durch die Küche hinaus und machte gerade so viel Lärm, dass sie wusste, dass er gegangen war.
Die Sonne strahlte von einem wolkenlos blauen Himmel. Obwohl es relativ warm war, fröstelte es ihn plötzlich in seiner leichten Jacke.
Es war genauso ein Nachmittag wie in seinem Traum.
Er zwang sich, um das Gebäude herum zur Main zu gehen. Stiefmütterchen wucherten in dem Kübel vor dem Blumenladen. Leute schlenderten vorbei, manche sogar schon in Hemdsärmeln, als wollten sie dem Winter endgültig Einhalt gebieten. Er ballte die Hände zu Fäusten.
Rasch überquerte er die Straße.
Amy kam hinten aus ihrem Blumenladen. »Hey, Fox. Wie geht es dir? Ein wunderschöner Tag, nicht wahr? Na, es wurde aber auch langsam mal Zeit.«
Fox musterte sie. »Ja. Wie geht es dir?«
»Ich kann mich nicht beklagen. Möchtest du Blumen fürs Büro kaufen? Mrs Hawbaker hat normalerweise montags immer einen Strauß gekauft. Du wirst doch die Blumen fürs Büro nicht jetzt am Freitag kaufen.«
»Nein.« Der Knoten in seinem Magen löste sich ein wenig. Es war doch nicht dasselbe wie in seinem Traum. Aber dann sah er die Narzissen. »Ich brauche die Blumen privat. Genau so etwas suche ich.« Er zeigte auf die Narzissen.
»Sind sie nicht hübsch? So fröhlich.« Sie drehte sich um, und er betrachtete ihr Spiegelbild im Glas der Kühltheke. Aber es war Amys Gesicht, und sie lächelte so fröhlich wie die Blumen.
Sie plauderte weiter, während sie die Blumen fertig machte und einpackte, Fox hörte gar nicht richtig zu, weil er verstohlen an den Blumen roch. Aber der Geruch war frisch.
»Sind sie für dein Mädchen?«
Er blickte sie scharf an. »Ja, sie sind für mein Mädchen.«
Ihr Lächeln wurde noch strahlender, als sie ihm das Wechselgeld zurückgab. »Sie gefallen ihr bestimmt. Wenn du etwas fürs Büro möchtest, dann mache ich dir am Montag einen netten Strauß fertig.«
»Okay, danke.« Er wandte sich zum Gehen.«
»Bestell Layla schöne Grüße.«
Er schloss die Augen. Erleichterung, Schuldbewusstsein und Dankbarkeit überfluteten ihn. »Ja, das mache ich. Bis dann.«
Ein wenig benommen trat er nach draußen. Die Tür zur alten Bibliothek war geschlossen. Sein Blick glitt zu den Türmchen hinauf, aber niemand stand dort oben, um in den Tod zu springen.
Wieder überquerte er die Straße. Als er zur Vordertür hereinkam, saß Layla an ihrem Schreibtisch. Sie warf ihm einen Blick zu, schaute aber gleich wieder weg.
»Auf deinem Schreibtisch liegen Nachrichten. Dein Termin für vierzehn Uhr ist auf nächste Woche verschoben.«
Er trat näher und hielt ihr die Blumen hin. »Es tut mir leid.«
»Sie sind sehr hübsch. Ich stelle sie ins Wasser.«
»Es tut mir leid«, wiederholte er, als sie aufstand und sich an ihm vorbeidrängte.
Sie hielt inne. »In Ordnung.« Dann nahm sie die Blumen und ging.
Er wollte es eigentlich nicht erzählen. Warum sollte er alles wieder aufrühren? Es ging nicht um Vertrauen, es ging um Schmerz. Hatte er kein Recht auf seinen eigenen Schmerz? Verletzt ging er in die Küche, wo sie Wasser in eine Vase füllte.
»Hör mal, ist es eigentlich absolut notwendig, dass wir vor dem anderen unser Innerstes nach außen kehren?«
»Nein.«
»Wir brauchen doch nicht jedes einzelne Detail über den anderen zu wissen.«
»Nein.« Sie begann die Stängel in die Vase zu stellen.
»Ich hatte einen Alptraum. Ich habe Alpträume, solange ich denken kann. Wir hatten doch mittlerweile schon alle welche.«
»Ich weiß.«
»Willst du es so aus mir herausziehen? Indem du mir in allem zustimmst?«
»Damit kontrolliere ich lediglich mich selbst, damit ich dir nicht in den Hintern trete.«
»Ich will mich nicht mit dir streiten.«
»Doch. Genau das willst du, und das werde ich dir nicht erlauben. Du hast es nämlich nicht verdient.«
»Himmelherrgott.« Er stürmte durch das kleine Zimmer und schlug gegen die Schränke. »Sie ist tot. Carly ist tot. Ich habe sie nicht gerettet, und sie ist gestorben.«
Layla wandte sich zu ihm. »Es tut mir so leid, Fox.«
»Nicht.« Er presste die Finger gegen die Schläfen. »Lass es einfach.«
»Soll es mir nicht leidtun, dass du jemanden verloren hast, der dir so viel bedeutet hat? Soll es mir nicht leidtun, dass es dir wehtut? Was erwartest du von mir?«
»Ich habe absolut keine Ahnung.« Er ließ die Hände sinken. »Wir haben uns im Frühling vor meinem dreiundzwanzigsten Geburtstag kennen gelernt, als ich in
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