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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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größer sind als du und ich. Um zu überleben, müssen wir alle unsere Fähigkeiten bestmöglichst nutzen. Missgeburten wie wir sind vielleicht im Vorteil. Deine Fähigkeit zu fliegen, kann möglicherweise deine Rettung sein. Und ich habe immer gedacht, dass meine für das Jagen geeigneten Zähne und meine Stärke mir einen Vorteil verschaffen.« Er lachte leise über sich. »Doch jetzt weiß ich, dass ich schlauer und schneller sein muss, um mich hervorzutun.«
    »Ich wünsche dir kein Glück!«, sagte Dämmer zu ihm.
    »Behalte dein Glück«, erwiderte Reißzahn. »Du wirst es nötiger haben als ich.«
    Der hungrige Blick, der plötzlich in Reißzahns Augen aufblitzte, erschreckte Dämmer. Er warf sich in den immer dunkler werdenden Wald. Es war ihm egal, wohin er flog, er wollte nur den Feliden und seine tierischen Verbündeten weit hinter sich lassen. Ihm war ganz schlecht geworden von dieser Unterhaltung.
    Als er in der Dunkelheit nichts mehr erkennen konnte, steuerte er mit dem Echosehen, bis ihn eine solche Erschöpfung überkam, dass er landen musste. Er wickelte sich in seine Flügel. Sollte er einfach zu dem gewaltigen Baum auf dem Berg zurückfliegen und versuchen, Chimera und die anderen Fleder zu finden? Da hätte er wenigstens endlich ein Zuhause.
    Aber was war mit dem Bündnis, das er mit Sylph geschlossen hatte, dass sie sich immer umeinander kümmern wollten? Wie es aussah, hatte sie es bereits gebrochen. Doch so richtig konnte er das nicht glauben. Seine Schwester hatte das treueste Herz von allen. Wenn sie jetzt nicht da war, musste es einen guten Grund dafür geben – einen, von dem er hoffte, dass er nicht ein schrecklicher war. Morgen würde er wieder klarer denken können. Morgen würde er wissen, wie er sie finden konnte.
    Schon die zweite Nacht hintereinander schlief er dann ganz allein an einen fremden Baum geschmiegt.
    »Dämmer!«
    Sogar im Traum fragte er sich, ob das nicht einfach nur der Wind war. Doch als er seinen Namen ein weiteres Mal und deutlicher hörte, zwang er sich, aus dem Schlaf aufzutauchen.
    »Dämmer!«
    Er wachte auf und sah, wie seine Schwester, ohne ihn wahrzunehmen, direkt an seinem Ast vorbeiglitt. Einen Moment lang war er so verblüfft, dass er weder sprechen noch sich rühren konnte. Sie kam ihm vor wie eine Erscheinung aus seinen tiefsten Wünschen, und er konnte fast nicht glauben, dass sie es wirklich war. Dann aber warf er sich in die Luft und flatterte hinter ihr her.
    »Sylph!«
    Sie legte sich in die Kurve und dann sah sie ihn. »Oh!«, schrie sie. »Ich hab mir solche Sorgen gemacht!«
    Dämmer flatterte voller Begeisterung um sie herum, während sie landete. Auf dem Ast streichelten und umarmten sie sich mit ihren Segeln.
    »Wo seid ihr gewesen?«, fragte Dämmer. »Ich hab gedacht, ihr hättet mich verlassen.«
    »Wir mussten«, erklärte sie. »Gestern Nachmittag haben einige von unseren Wachen ein Felidenpaar gesehen. Sie schienen mit anderen schrecklich aussehenden Tieren zu ziehen, von denen wir nicht wussten, was sie sind.«
    »Hyaenodonten«, sagte er.
    Sie beugte sich überrascht vor. »Woher weißt du das?«
    »Reißzahn hat es mir gesagt.«
    Seine Schwester sah so verwirrt aus, dass er lachen musste. Dann berichtete er von seiner unwirklichen Begegnung mit dem Feliden am vergangenen Abend und von seinem Gespräch mit ihm.
    »Hat er gesagt, wohin sie ziehen?«, wollte sie wissen.
    »Ich hätte fragen sollen, aber ich glaube nicht, dass er mir die Wahrheit gesagt hätte.«
    »Ich hoffe nur, dass er von seinen neuen Freunden aufgefressen wird«, meinte Sylph bitter.
    »Ich bin so froh, dass du hier bist«, sagte Dämmer.
    »Bei Morgengrauen haben wir angefangen, nach dir zu suchen.«
    »Ich hatte schon Angst, Nova hätte mich fallen lassen.«
    Sylph stieß laut die Luft aus. »Hat sie auch.«
    Dämmer schaute sie verwirrt von der Seite an. »Was?«
    »Nachdem du weg warst, hat sie eine Versammlung abgehalten. Sie hat vorgeschlagen, wir sollten zurück zu Gyrokus ziehen und uns seiner Kolonie anschließen. Jetzt, da sie Anführerin sei, würde sie der Vergangenheit abschwören und dann würde Gyrokus uns aufnehmen. Sie sagte, das wäre das Beste, was wir tun könnten.« Sylph holte tief Atem. »Aber sie hat auch gesagt, dass wir es nicht riskieren könnten, dich mitzunehmen.«
    »Weil ich fliege«, sagte Dämmer ausdruckslos.
    Sylph nickte. »Sie würden uns sonst alle als Abweichler abweisen. Nova hat dann noch hinzugefügt, es würde sie zwar

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