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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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…«
    »Er führt uns sicher durch die Dunkelheit, du wirst schon sehen …«
    »Dämmer?«
    Aus seinen Träumen aufgeschreckt, blickte er auf und sah Südwind und Sol, die vor ihm auf dem Ast standen.
    »Es ist Zeit aufzubrechen«, sagte Südwind. »Bist du bereit?«
    »Ja«, sagte Dämmer, »ich bin bereit.«
     

Kapitel 21
Soriciden
    D ämmer bahnte sich einen Weg durch das hohe Gras, dessen Halme so dick und groß waren, dass er nur sehen konnte, was sich direkt vor ihm befand. Tau sickerte ihm über das Fell. Er krabbelte um kleine, knorrige Pflanzen herum, deren Blätter sich über ihm wölbten wie die Kronen von Miniaturbäumen. Zweige kratzten ihm durchs Gesicht. Die Luft war voller Insekten, Sporen und Spinnfäden.
    Die Hälfte des Graslands hatten sie hinter sich.
    Sylph befand sich links von ihm, Südwind rechts. Die restliche Kolonie folgte dicht hinter ihnen, als sie sich rasch auf den nächsten Baum zubewegten. In den letzten paar Stunden war Dämmer klar geworden, dass Laufen sehr viel ermüdender war als Fliegen. Auf allen vieren empfand er sich als ungeschickt und schwer. Sein Körper sehnte sich nach der Luft. Als er zu einer Stelle kam, an der er die Flügel in ganzer Länge ausstrecken konnte, flog er auf.
    Glühwürmchen pulsierten wie vom Himmel geholte Sterne. Der Wind wisperte im Gras. Es tat gut, wieder in der Luft zu sein. Schnell ortete er ihr Ziel, einen allein stehenden Giftholzbaum, der aus der Ebene aufragte. Der Baum war noch ziemlich weit entfernt, und Dämmer wusste sofort, dass sie wieder vom Kurs abgekommen waren. Unten im Gras ohne irgendwelche Orientierungspunkte war es erschreckend leicht, alles Gefühl für die Richtung zu verlieren. Deshalb befand er sich einen guten Teil der Zeit in der Luft, sah zu, dass die Kolonie auf ihr Ziel zusteuerte, und hielt nach möglichen Räubern Ausschau. Bisher hatten sie Glück gehabt.
    Er landete neben Südwind und lenkte ihn wortlos in die richtige Richtung. Südwind nickte und der Rest der Kolonie folgte schweigend. Neben Sylph ging er weiter.
    Ein Kreischen schoss wie ein gezackter Blitz durch die Nacht.
    Südwind blieb stehen und blickte zu Dämmer hinüber. »Schau nach, was du erkennen kannst.«
    Wieder einmal flatterte Dämmer durch das Gras nach oben und flog in Spiralen hinauf in den Nachthimmel. Er warf Töne um sich und versuchte, die Richtung auszumachen, aus der das Geräusch gekommen war. Ein weiterer Schrei hallte über das Grasland, zusammen mit mehrfachem wieherndem Schnauben, und dann war das entfernte Trommeln von Hufen zu hören. Dämmers Herz hämmerte gegen seine Rippen.
    Es war das Geräusch von Equiden, die erschreckt davonjagten. Da war er sich ziemlich sicher. Aber was hatte sie erschreckt? Die Diatrymas waren so spät in der Nacht höchstwahrscheinlich nicht mehr aktiv.
    Eilig flog er in Richtung des Geräuschs. Der Mond war nun von Wolken verschleiert und so schickte er einen Hagel von Tönen hinab auf den Boden. Mit seinem inneren Auge konnte er jeden Grashalm einzeln sehen und ab und zu die kleine, dunkle Gestalt eines herumwuselnden Grundlings. Plötzlich teilte sich das Gras und ein erwachsener Equide raste mit einem Neugeborenen vorbei.
    Dämmer wendete, öffnete die Augen und sah ihren schattenhaften Gestalten nach. Schnell kam zu den beiden noch ein weiterer erwachsener Equide und zusammen galoppierten sie weiter über die Ebene hinweg. Ihr Hufgetrappel verklang in der Nacht. Dämmer war froh, dass sie unverletzt entkommen waren, doch er war immer noch ganz beklommen vor Angst. Wovor waren sie weggerannt?
    Er brauchte nicht lange auf die Antwort zu warten. Er flog weiter südwestlich und nach weniger als hundert Flügelschlägen erwischte er das kurze Echobild einer vierfüßigen Kreatur im tiefen Schatten des Grases. Er kreiste darüber und schickte mehr Klangimpulse hinab.
    Diese Tierart hatte er erst einmal gesehen, doch sie war zu ausgeprägt, als dass er sich irren könnte. Es war ein Hyaenodon und es war nicht allein. Sechs von ihnen streiften bedrohlich durch das Gras. Sie hielten kurz an, die stumpfen Schnauzen dicht über dem Boden, und einer der vorderen grunzte gereizt.
    »Der Geruch ist weg«, sagte er so leise und nuschelig, dass Dämmer es kaum verstehen konnte. »Reißzahn!«
    Unsichtbar vor dem Nachthimmel beobachtete Dämmer mit wachsender Bestürzung, wie Reißzahn und ein zweiter Felid neben dem größeren Tier erschien.
    »Riech!«, wies ihn das Hyaenodon schroff an.
    Reißzahn sank mit

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