Nachtflügel
sich bewegt.
»Nur Knochen«, krächzte er.
»Ein Saurier«, sagte Sylph. »Nichts sonst könnte so groß sein.«
Als er starb, musste er auf den Bauch gefallen sein, ein bisschen Fleisch war noch an ihm. Er lag da wie ein kleiner Hügel und schien in der Nachtluft zu dampfen. Dämmer betrachtete ihn in seiner ganzen Länge: den langen Schädel, die zusammengebissenen, gezackten Zähne, dann den Hals und den riesigen Bogen seiner Wirbelsäule mit den Rippen, der sich zu einem gewellten, knochigen Schwanz verjüngte. Sein rechter Arm lag unter ihm eingeklemmt, das Bein war abgespreizt und der Oberschenkelknochen gebrochen.
Mit gespitzten Ohren fuhr Dämmer blitzschnell herum und spähte in den Nebel hinter ihm. Er hatte etwas gehört. Vielleicht war es auch nur das Geräusch des heißen Dampfs, welcher der Erde entströmte. Er schickte einen Klangschrei in den Nebel hinein, und als das Echo zurückkam, musste er jeglichen Instinkt niederkämpfen, um nicht wegzufliegen.
»Rein in den Schädel!«, schrie Dämmer.
Zwei Feliden sprangen auf sie zu. Sylph und Dämmer warfen sich auf das Skelett, zwängten sich durch eine Augenhöhle und stürzten die glatten, weißen Innenseiten des Schädels hinunter bis in das Maul des Sauriers.
Dämmer spähte durch die Schlitze zwischen den zusammengebissenen Zähnen. Reißzahn und sein Kumpan sprangen auf den Schädel und versuchten, Kopf und Schultern durch die verschiedenen Öffnungen zu drängen, doch sie waren dafür zu groß, genau wie Dämmer gehofft hatte. Plötzlich stieß Reißzahn eine Pfote mit ausgefahrenen Krallen herein und Dämmer zuckte außer Reichweite zurück.
Der Felid starrte ihn durch eine der Augenhöhlen an. »Der Flieger. Auf dem Boden gelandet. Das war ein Fehler.«
Die ungeschlachte Masse der vier Hyaenodonten ragte nun über dem Schädel auf.
»Mickrige Beute«, sagte einer von ihnen mit seiner kehligen Stimme, so, als wollte er den Feliden beleidigen.
»Ich will sie haben«, sagte Reißzahn und stolzierte um den Schädel herum auf der Suche nach einer Möglichkeit, an die beiden heranzukommen.
Das Hyaenodon rümpfte die Nase, sprang vor und Dämmer dachte, es wollte Reißzahn anfallen, der schlau einen Schritt zur Seite machte. Doch das Ziel des Hyaenodons war der Schädel selbst. Er schlug seine Zähne um die Augenhöhle. Voller Entsetzen sah Dämmer, wie die mächtigen Zähne des Tiers sich immer näher kamen, sich knirschend durch den Knochen arbeiteten, bis weiße Splitter aufflogen.
»Dämmer, komm, hier lang!«
Sylph zog ihn herum. Am Ende des Schädels gab es eine schmale Öffnung, eine Art geschützte Passage, die durch die Halswirbelsäule des Sauriers gebildet wurde. Hinter Sylph zwängte sich Dämmer in die Öffnung und zog sich von Wirbel zu Wirbel voran.
Durch die Spalten zwischen den Wirbelzacken konnte Dämmer immer wieder einen kurzen Blick auf Reißzahn werfen, der ihm folgte. Er spürte den heißen Atem des Feliden.
Dort, wo die Wirbelsäule sich nach oben bog, schlüpfte Sylph zwischen zwei Wirbeln hindurch in den höhlenartigen Brustkorb. Dämmer folgte ihr. Der Boden war warm unter ihren Füßen. Um sie herum stieg übel riechender Dampf auf. Die Rippenknochen bogen sich vom Rückgrat des Sauriers nach unten, die dünnen Enden waren in der Erde eingebettet. Besorgt musterte Dämmer die Zwischenräume zwischen den Rippen und bemerkte erleichtert, dass sie schmal genug waren, um die Feliden und die Hyaenodonten fernzuhalten, die wütend auf der anderen Seite entlangstrichen.
Reißzahn blickte zu ihm herein und schnurrte bedrohlich: »Du sitzt in den Knochen einer ausgestorbenen Art, um dein eigenes Aussterben zu erleben. Es sieht ganz so aus, als würde die Welt keinen fliegenden Chiropter mehr erleben.«
»Es gibt noch andere«, sagte Dämmer.
Reißzahn schnaubte und wandte sich an ein Hyaenodon. »Beiß das durch und wir haben sie.«
Dämmer wunderte sich, wie bereitwillig das größere Tier dem Befehl nachkam. Kraftvolle Kiefer schlossen sich um die untere Hälfte einer Rippe und zermalmten sie. Eine Öffnung entstand, die groß genug war, um die zwei Feliden durchschlüpfen zu lassen.
Im Brustkorb wirbelte und strudelte der Dampf und versperrte Dämmer vorübergehend den Blick auf die Raubtiere.
»Lass uns abhauen«, flüsterte Sylph.
Verzweifelt blickte sich Dämmer nach einem Fluchtweg um. Weiter hinten, zur Hüfte des Sauriers hin, wurden die Rippen kürzer, und die Decke wurde niedriger, da, wo das
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