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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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kraftlos. Dann kam ein schrilles Piepsen aus der Kehle des Schlüpflings.
    »Komm schon, schnell!«, schrie Sylph.
    Sie wollte auf den Nestrand zueilen, doch dann blieb sie mit weit aufgerissenen Augen stehen. Dämmer folgte ihrem entsetzten Blick.
    Auf dem Nestrand balancierten zwei Feliden und blickten auf sie herunter.
    Dämmer zischte drohend und kroch mit Sylph rückwärts. Hinter sich konnte er den Schlüpfling hören, der sich abmühte, sich aus dem Ei zu befreien. Dämmer sah, wie Reißzahns Augen zwischen ihm und dem Saurier hin- und herzuckten, als könnte er sich nicht entscheiden, wen er zuerst angreifen sollte. Der Felid hatte vor lauter Gier die Augen zu Schlitzen zusammengezogen und seine Zähne waren nass.
    Dämmer zog sich weiter im Nest zurück, wobei er den Feliden fest im Auge behielt. Er konnte ja jederzeit wegfliegen, doch Sylph war völlig hilflos, solange sie keinen höheren Standort hatte.
    »Schnapp dir den Flieger, Panthera!«, sagte Reißzahn.
    Die Felida stürzte mit einer solchen Geschwindigkeit auf ihn zu, dass Dämmer kaum Zeit hatte, die Flügel auszubreiten und abzuheben. Panthera geriet ins Schleudern, wirbelte herum und sprang ihm nach. Dämmer flog nicht allzu hoch, dümpelte nur herum, immer nur wenige Zentimeter über Panthera, wie um sie zu verhöhnen. Während Sylph verzweifelt auf die andere Seite des Nests zukrabbelte, flatterte Dämmer knapp außerhalb Pantheras Reichweite, damit die sich voll auf ihn konzentrierte.
    Dann sah er aus dem Augenwinkel, wie Reißzahn zu Sylph ins Nest sprang und sie mit fünf Sätzen erreichte. Dämmer schrie gequält auf und in diesem Augenblick machte Panthera einen Satz und erwischte ihn mit beiden Pfoten. Seine Flügel fielen zusammen, als sie beide sich ineinander verknäulten. Er kämpfte, um zu entkommen, spürte jedoch das volle Gewicht ihres kraftvollen Körpers über sich.
    Sylph konnte er nicht mehr sehen, wusste nicht, was mit ihr geschah. Er wollte schreien, doch Panthera hatte bereits ihre Kiefer um seine Kehle gelegt, spannte sie an und schnitt ihm die Luft ab.
    Sein Augenlicht flammte auf und wurde begrenzter, ein Tunnel, der sich immer mehr verengte. An seinem Ende sah er einen Kopf über den Nestrand spähen, einen schmalen, spitz zulaufenden Kopf mit schnellen, wachen Augen, der sich auf sie stürzte. Wie von ganz weit entfernt hörte Dämmer einen Schrei, spürte, wie er einen Moment lang in die Luft gehoben wurde, bevor er, befreit von Pantheras schreiendem Maul, nach unten fiel.
    Sofort sprang er auf die Beine, drehte sich schnell um und erblickte einen jungen Saurier, der die um sich schlagende Panthera zwischen seinen Zähnen hielt. Er hatte sie fest um Bauch und Rumpf gepackt. Dämmer schätzte, dass der Saurier nur wenige Wochen alt war. Er hatte aber bereits die doppelte Größe der Feliden, ein geborener Räuber, stark geworden durch den Leichnam seiner Mutter oder seines Vaters.
    »Panthera!«
    Dämmer wirbelte herum und sah, wie Reißzahn Sylph losließ und sich auf den Saurier warf. Dämmer wartete keine Sekunde länger und flog zu seiner Schwester, die keuchte und sich heftig schüttelte.
    »Mir ist nichts passiert«, sagte sie.
    Sie kletterten über den Nestrand und rannten auf den nächsten Steinturm zu. Während Sylph an der glatten Wand hochkletterte, flog Dämmer auf die Spitze. Der Saurier hielt Panthera noch immer zwischen den Kiefern, doch sie wehrte sich nicht mehr. Reißzahn warf sich immer wieder auf den Saurier, wurde jedoch jedes Mal von dessen stämmigen Pfoten mit den drei Klauen abgewehrt. In den Schreien des Feliden lag nicht nur die Wut des Kampfs, sondern auch schreckliche Verzweiflung und Leid.
    Dämmer prägte sich schnell ihre Fluchtroute ein, und als Sylph neben ihm auftauchte, glitt sie hinter ihm her auf den nächsten Turm zu, ohne auch nur einmal verschnauft zu haben. Ihr Gleitflug führte sie über das Nest, und als Dämmer hinunterblickte, sah er, wie der Kopf des Sauriers nach oben ruckte und er aufmerksam ihren Weg verfolgte.
    Sie landeten, vergeudeten keinen Augenblick, sondern kletterten sofort wieder nach oben, ehe sie weiterglitten. Dämmer führte Sylph von einem Turm zum nächsten auf den Ausgang der Höhle zu. Licht sickerte durch das dichte Gestrüpp. Schlagartig wurde es Dämmer klar, dass es Morgen sein musste. Sie landeten oben mitten im Geflecht der Zweige und fingen sofort an, sich hindurchzuzwängen.
    Hinter sich hörte Dämmer erstaunlich leichtfüßige Schritte. Er

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