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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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die Küste geschickt worden waren, hatten sie sich im Wald selbst gar nicht weiter umgeschaut. Und es war leicht genug, diese Knochen zu übersehen, es sei denn, man wusste, dass sie hier waren.
    Er suchte mit dem Echosehen weiter, wobei er die Stärke seines Schnalzens wechselte. Unter den Rippen entdeckte er einen riesigen Schädel, der mit den Jahren blank genagt worden war. Und verstreut im Unterholz …
    Dämmer blickte lange hin, horchte auf die Ströme seiner zurückkehrenden Echos, um ja sicherzugehen.
    Das konnten nur die Bruchstücke von Eierschalen sein, dick und ledrig an der Außenseite, aber innen glatt und gewölbt. Und mitten zwischen den Schalen verstreut befanden sich kleine Knochen. Ein Beinknochen vielleicht, ein Fuß mit Krallen. Zwei Schädel, nicht größer als sein eigener.
    Es waren also tatsächlich Saurier auf der Insel gewesen, und es sah ganz so aus, als wären ihre Eier zerstört worden.
    Doch welcher Chiropter in der Kolonie hätte so etwas getan?
    Er hatte die Antwort fast schon parat, ehe er die Frage fertig gedacht hatte.
    Nova.
    Er flog zum Mammutbaum zurück, und sein Kopf glühte von dem, was er gerade gesehen hatte. Nicht mehr weit von ihrem Baum entfernt, sah er plötzlich einen anderen Chiropter vor sich, und zu seiner Überraschung merkte er, dass der nicht glitt. Er versuchte zu fliegen.
    Dämmer flog näher und versuchte, eine bessere Sicht durch die Zweige hindurch zu bekommen, und überlegte dabei, wer in aller Welt das wohl sein konnte. Dieser hier hatte nicht mehr Erfolg als alle anderen auch, flatterte unbeholfen herum, wühlte die Luft auf und kam doch nicht weiter. Immer ging es um die Schnelligkeit, dachte Dämmer bedauernd, sie waren einfach nicht in der Lage, mit ihren Segeln schnell genug zu flattern.
    Um den Chiropter nicht in Verlegenheit zu bringen, wollte er gerade einen Umweg um ihn herum machen, als er die grauen Streifen im Fell an den Seiten sah. Der Chiropter drehte sich unerwartet in der Luft, sah zu ihm her, und Dämmer erkannte, wer es war. Sein Vater streckte schnell die Segel aus und glitt zur Landung auf einem Ast.
    »Dämmer?«, rief er.
    »Hallo!«, rief Dämmer zurück und flatterte näher heran. Es war ihm peinlich. Sein Vater hatte offensichtlich nicht gewollt, dass ihn jemand sah.
    »Ich habe das mal probieren wollen«, sagte sein Vater fröhlich. »Einfach, um ein Gespür dafür zu bekommen, wie sich das anfühlt, wenn du das tust.«
    Als Dämmer gelandet war, sah er, wie schwer sein Vater atmete. Er hatte sich offenbar sehr angestrengt, und das über längere Zeit.
    »Es ist wirklich schwierig«, sagte Dämmer. »Und man ist schnell erschöpft. Ich hab immer noch Probleme …«
    Sein Vater stieß ihn zärtlich mit der Schnauze an. »Du brauchst mich nicht zu trösten, Dämmer. Ich bin zu alt und zu klug, um mich nach etwas zu sehnen, das ich nicht haben kann. Ich bin völlig zufrieden mit meinem Gleiten.«
    »Oh, ich weiß«, sagte Dämmer und nickte zustimmend. Er hatte den Eindruck, sie machten sich beide etwas vor und plötzlich wurde er traurig. Er hatte seinen Vater immer als unbezwingbar angesehen, und gegen jedes bessere Wissen hatte er gehofft, dass sein Vater in der Lage sein würde zu fliegen, auch ohne die richtigen Muskeln in Brust und Schultern. Doch sein Vater war gescheitert und Dämmer fand das gar nicht gut. Es machte ihm sogar ein bisschen Angst.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte Ikaron. »Ich habe es nicht gerne, wenn du so weit vom Baum weg bist.«
    »Ich weiß, und es tut mir leid. Aber …«
    Er überlegte, wie er am besten anfangen sollte. Er hatte sich die Worte auf dem Heimweg zurechtgelegt, doch das plötzliche Zusammentreffen hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht.
    »Ich war auf dem Oberen Holm«, fing er an, »und bin mit einem Vogel ins Gespräch gekommen.«
    »Du hast mit einem Vogel geredet?«
    »Wir sind aber jeder auf seinem eigenen Gebiet geblieben, hauptsächlich«, fügte Dämmer hinzu und fuhr dann schnell fort: »Er wollte mich fliegen sehen, und ich wollte ihn fliegen sehen, und dann, ein bisschen später, hat er mich Eierfresser genannt.«
    »Hat er das?«, sagte Ikaron mit einem schroffen Lachen. »Also ist ihnen ohne Zweifel bekannt, was unsere Verwandten auf dem Festland getan haben.«
    »Und ich habe versucht zu erklären, dass wir anders sind«, sagte Dämmer. »Aber Ter…« Er unterbrach sich selbst, denn er wollte nicht, dass sein Vater wusste, dass er Teryx’ Namen kannte, das würde so

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