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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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erschreckend zuzugehen.
    »Jetzt lass mich aber mal sehen, wie du fliegst«, sagte Teryx.
    Dämmer überlegte einen Augenblick. »In Ordnung«, sagte er dann. »Wenn du mir nachher ein paar Landungen zeigst.«
    Teryx nickte schnell und zwitscherte. Dämmer nahm das für ein Ja.
    Er stieß sich von seinem Ast ab, flatterte kräftig, wurde schneller und stieg auf. Dann kreiste er ein paar Mal in der Lichtung, achtete darauf, auch wirklich die ganze Zeit unter dem Oberen Holm zu bleiben, und setzte dann mit einer plumpen Landung wieder auf dem Ast auf.
    Teryx blickte aufmerksam zu ihm hinunter. »In der Luft bist du sehr schnell und beweglich«, sagte er und überraschte Dämmer mit diesem Kompliment. »Aber eines ist klar, an deiner Landung muss noch gearbeitet werden.«
    »Ja«, sagte Dämmer. »Vielleicht kannst du mir zeigen, wie.«
    Als er nun Teryx so aus der Nähe starten und landen sah, wurde Dämmer deutlich, wie verschieden ihre Art zu fliegen tatsächlich war. Bei der Landung hielt Teryx die Flügel oben und flatterte nur mit den Flügelspitzen, um sich langsam sinken zu lassen und ruhig auf der Rinde aufzusetzen. Dämmer fiel keine Möglichkeit ein, wie diese Technik bei ihm funktionieren könnte. Er setzte immer viel schneller auf. Auch beim Abflug schienen Teryx’ Flügel ihn sofort zu heben, sobald er sich in die Luft geworfen hatte. Dämmer dagegen musste mit seinen Segeln sehr schnell und kräftig schlagen. Er glaubte, dass er beweglicher war als der Vogel, insbesondere auf engem Raum, doch er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Flug jemals so elegant wirken würde.
    Waren es die Federn, die es den Vögeln so viel einfacher machten, oder war es schlicht die Form der Flügel selbst? Wegen der Federn konnte er keine Umrisse von irgendwelchen Fingern erkennen und auch keine Krallen herausragen sehen. Teryx hatte nur welche an den Füßen.
    »Darf ich mir deine Federn mal näher betrachten?«, fragte Dämmer und flatterte schnell, ohne eine Antwort abzuwarten, zu Teryx hinauf auf dessen Ast.
    Teryx hüpfte überrascht zurück. »Du bist auf Vogelgebiet«, sagte er mit leicht keuchender Stimme.
    »Oh!« Das hatte Dämmer völlig vergessen. »Entschuldigung. Soll ich besser wieder nach unten gehen? Fürchtest du dich vor mir?«
    Teryx reckte den Kopf hoch. »Ich habe keine Angst vor dir. Auch wenn du ein Eierfresser bist.«
    »Eierfresser?«, fragte Dämmer verwirrt. »Ich esse keine Eier.«
    »Doch, tust du. Sauriereier. Meine Eltern haben mir das erzählt.«
    »Oh. Wir nicht«, sagte Dämmer und war eifrig bemüht, das Missverständnis zu beseitigen. »Chiropter auf dem Festland haben Sauriereier gejagt. Und sie haben sie in Wirklichkeit auch nicht gegessen, sondern sie wollten sie einfach nur zerstören, damit nicht mehr Saurier geboren werden. Aber wir waren damit nicht einverstanden. Deshalb sind wir hier. Wir wollten nicht nach Eiern jagen.«
    Zweifelnd legte Teryx den Kopf schief. »Aber hier auf der Insel hat es doch auch Saurier gegeben.«
    »Nein«, sagte Dämmer. »Hier waren nie welche. Deshalb sind wir hier geblieben. Hier war es sicher.«
    Teryx schüttelte den Kopf. »Da liegst du falsch«, sagte er. »Hier haben einmal Saurier gelebt, und mein Urgroßvater hat gesagt, ihr Chiropter hättet ihre Nester zerstört.«
    »Wann?«, wollte Dämmer wissen.
    »Vor zwanzig Jahren.«
    »Jetzt liegst du falsch!«, sagte Dämmer, der langsam wütend wurde. »Was weißt du überhaupt? Du siehst aus, als wärst du erst vor fünf Sekunden geschlüpft.«
    Teryx hüpfte vor und riss den Schnabel bedrohlich auf. Dämmer zog sich auf allen vieren krabbelnd zurück. Dieser Schnabel sah scharf aus.
    »Ich hab doch selbst die Knochen gesehen!«, beharrte Teryx. »Wir haben eine Menge mehr gesehen als ihr faulen Chiropter.«
    »Und wo sind die dann?«
    Dämmer war zwar weit davon entfernt, von der Erzählung des Vogels überzeugt zu sein, doch die wilde Entschiedenheit beunruhigte ihn doch.
    »Im Südosten«, sagte Teryx mit einer schnellen Kopfbewegung. »Wenn du fliegst, ist es nicht weit. Da gibt es noch eine Lichtung, nicht so groß wie diese hier, und direkt dahinter fällt das Land etwas ab. Da, wo die Bäume dünn sind, kannst du die großen Knochen auf dem Boden sehen. Schau doch selber nach.«
    »Das mache ich auch.«
    Plötzlich war über ihm lautes Flügelschlagen zu hören. Dämmer blickte aufgeschreckt hoch und sah einen weiteren Vogel, der sich nun zwischen ihm und Teryx niederließ. Er hatte

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