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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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gedämpft. Vielleicht war es das sanfte Licht der frühen Morgensonne in den Zweigen oder der vertraute Anblick von anderen Chiroptern, die bereits auf der Jagd durch die Luft segelten. Vielleicht war es auch ganz einfach so, dass er sich sicher fühlte. Sein Vater war schon irgendwo unterwegs, doch Sylph schlummerte noch neben ihm.
    Als er das Knurren seines Magens nicht länger überhören konnte, stand er auf und warf sich vom Ast. Während er jagte, grüßten ihn mehrere Neugeborene mit grauem Fell. Gyrokus’ Kolonie war bemerkenswert freundlich. Dämmer war zwischen ihnen zunächst nervös gewesen, vor allem, weil die Hälfte von ihnen offensichtlich Soldaten waren und ständig mit unterschiedlichen Übungen oder Wachdiensten beschäftigt. Aber sie schienen nichts dagegen zu haben, ihre Bäume mit einer fremden Kolonie zu teilen, und sie beantworteten bereitwillig jede Frage, die Dämmer stellte. Sie waren stolz auf ihr Heim, so stolz, dass sie überhaupt nicht neugierig darauf zu sein schienen, wo Dämmer herkam. Gerade jetzt war er froh, nicht darüber sprechen zu müssen, denn seine Erinnerungen waren von Trauer überschattet. Er war einfach nur dankbar dafür, akzeptiert zu werden – trotz seiner befremdlichen Erscheinung. Gyrokus’ Chiropter schienen an seinen haarlosen Segeln und seinen aufragenden Ohren keinen Anstoß zu nehmen. Und natürlich achtete er darauf, nicht zu fliegen und damit zu riskieren, wieder als Sonderling angesehen zu werden. Sogar seine eigene Kolonie war während der beiden letzten Tage freundlicher zu ihm geworden. Etliche hatten sich sogar bei ihm bedankt, dass er sie über das Wasser gebracht hatte.
    Gerade als er seinen Bedarf an Insekten gefangen hatte, sah er seinen Vater mit Gyrokus, Sol und Barat reden. Da er wissen wollte, worum es ging, landete er nicht weit von ihnen, doch ihr Gespräch war beendet und sie gingen gerade auseinander. Er näherte sich seinem Vater.
    »Hast du gut gegessen?«, fragte Ikaron.
    Dämmer nickte und fragte sich, ob sein Vater denn wohl auch schon etwas gegessen hätte. Er bemühte sich, seinen Blick nicht zu oft über die verwundete Schulter seines Vaters streifen zu lassen. Wenigstens sah die so aus, als wäre sie frisch gereinigt worden, doch ob sie auch heilte, war er sich nicht sicher.
    Sein Vater nickte in Richtung der unteren Regionen des Baums. »Da unten«, sagte er. »Siehst du sie? Das sind Ptilodonten.«
    Dämmer erspähte die kleinen, kräftigen Tiere, die flink über die Äste kletterten. Sie hatten lange Schwänze, die sie um die Zweige wickeln konnten, um Halt und Gleichgewicht zu bekommen. Angeregt plapperten sie miteinander.
    »Und auf dem Boden«, sagte sein Vater, »siehst du den da?«
    So ein Tier hatte Dämmer bereits entdeckt, als sie gerade auf dem Festland angekommen waren, einen trampelnden Riesen mit dunklem, weiß getupftem Fell.
    »Diese Zähne …«, sagte Dämmer nervös.
    »Hauer. Nicht für die Jagd«, beruhigte ihn sein Vater. »Schau mal, wie er damit die Erde aufgräbt. Er sucht nach Maden und Wurzelknollen. Er ist kein Fleischfresser.«
    »Aber die sind bestimmt gut zur Verteidigung«, sagte Dämmer und wünschte sich, er hätte solche furchterregenden Dinger an dem Abend gehabt, als die Feliden ihre Kolonie angegriffen hatten.
    »Da ist Sylph«, sagte sein Vater, als er sie vorbeigleiten sah. Er rief ihr hinterher und bedeutete ihr, zu ihnen zu kommen.
    »Ich finde es schön hier«, sagte Sylph beim Landen. »Allen anderen geht es genauso. Bleiben wir?«
    »Wir gehen zurück auf die Insel, wenn sie wieder sicher ist.«
    »Aber das kann lange dauern«, sagte sie. »Bis dahin bleiben wir doch hier, oder?«
    »Gyrokus müsste uns erst einladen«, erklärte Ikaron ihr.
    »Sagst du dann Ja?«
    »Das würde dann bedeuten, dass ich nicht fliegen darf«, sagte Dämmer leise.
    »Oh, daran hab ich gar nicht gedacht«, sagte Sylph. »Aber ist es nicht besser, hier mit allen anderen zusammenzubleiben, als einen neuen Ort für uns alleine zu suchen?«
    Dämmer wusste genau, was sie meinte. Es war so beruhigend, von Gyrokus’ vielen wachsamen Soldaten umgeben zu sein, selbst wenn die sich ein bisschen hochmütig und unnahbar benahmen. Wahrscheinlich war es reiner Egoismus von ihm, sogar jetzt nur an das Fliegen zu denken.
    »Du wirst auch wieder fliegen, Dämmer«, versprach sein Vater ihm. »Sobald dieser Ausnahmezustand beendet ist und wir wieder zurück in unserem Zuhause sind.«
    »Es sieht nicht danach aus, als ob

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