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Nachtflügel

Nachtflügel

Titel: Nachtflügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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meine eigene Kolonie möchte, dass ich fliege.«
    »Die sollten dich tun lassen, was du willst«, sagte Sylph. »Ohne dich hätten wir nicht von der Insel entkommen können.«
    »Deine Schwester ist deine freimütigste Verbündete«, sagte ihr Vater und warf ihr einen liebevollen Blick zu. »Sie hat ein treues Herz.«
    »Ich bin allgemein freimütig«, sagte Sylph, doch Dämmer war klar, wie glücklich sie über das Lob ihres Vaters war. Dämmer holte tief Luft und wollte fast nicht mehr ausatmen. Dieser gute Augenblick sollte nicht vorübergehen. Es tat so gut, zusammen zu sein, nur sie drei, ohne dass irgendwelche Ältesten in der Nähe waren. Doch es ließ ihn dafür auch das Fehlen seiner Mutter umso schmerzhafter spüren. Würde er jemals seinen Vater und seine Schwester anblicken können, ohne zu denken, dass jemand fehlte?
    Die Dringlichkeit in Sylphs Stimme rüttelte ihn auf. »Papa, ist das ein …?«
    Dämmer folgte der Blickrichtung seiner Schwester auf den Boden. Ein geschmeidiges, vierbeiniges Wesen sprang mühelos auf die unteren Äste eines benachbarten Baums und dann weiter nach oben. Dämmer hörte erschreckte Schreie, und seine Segel breiteten sich instinktiv aus, sein Körper war bereit zum Flug.
    »Das ist ein Felid«, keuchte Sylph. »Er kommt herauf!«
    »Keine Angst!«, rief Gyrokus laut von der Lichtung her. »Dieser Felid ist unser Freund und er kommt auf meine Einladung hin.«
    Voller Erstaunen beobachtete Dämmer, wie Gyrokus auf den Feliden zusegelte und neben ihm landete, gerade einen Ast tiefer als der, auf dem er selbst, sein Vater und seine Schwester sich befanden.
    »Willkommen, Montian«, sagte Gyrokus herzlich. »Willkommen!«
    »Hallo, Gyrokus.« Bei dem leisen Schnurren des Feliden biss Dämmer die Zähne aufeinander.
    »Ikaron, komm zu uns!«, rief der kräftige Chiropterführer nach oben. »Ihr Ältesten auch.«
    Nervös sah Dämmer zu, wie sein Vater zu ihrem Ast hinunterschwebte und nach Barat, Sol und Nova rief. Innerhalb kürzester Zeit waren seine Ältesten bei ihm. Der Felid saß mit vorgestemmten Vorderbeinen aufrecht auf seinem Hinterteil. Dieses ausgesprochen höfliche Benehmen stand in so starkem Gegensatz zu dem, wie er die beutegierigen Bestien auf der Insel in Erinnerung hatte, dass Dämmer kaum glauben konnte, dieselbe Art vor sich zu sehen. Während sie nach unten spähten, hörten er und Sylph, wie Gyrokus Montian ihrem Vater und seinen Ältesten vorstellte.
    »Ich habe Nachrichten, von denen ich hoffe, dass sie euch erfreuen werden«, schnurrte der Felid. »Gerade jetzt, während wir miteinander sprechen, stehen Patriofelis’ Soldaten Reißzahn gegenüber.«
    Gyrokus schnaufte anerkennend. »Ausgezeichnet. Und wie plant Patriofelis, das Problem zu lösen?«
    »Reißzahn hat sich sein eigenes Gefängnis gewählt«, sagte Montian, »und Patriofelis hat vor, ihn dort zu halten. Ein Bündnis von Tieren wird eine andauernde Wache auf dem Festland organisieren, die gewährleistet, dass Reißzahn und seine Meute niemals die Insel verlassen.«
    »Aber das ist unsere Heimat!«, platzte Dämmer heraus.
    »Dämmer, ruhig!«, sagte sein Vater scharf. Dann wandte er sich wieder dem Abgesandten der Feliden zu. »Das ist nicht die Lösung, auf die wir gehofft haben. Wir hatten im Sinn, so schnell wie möglich in unsere Heimat zurückzukehren.«
    »Patriofelis hat beschlossen, dass die Insel der ideale Platz ist, um Reißzahn zu isolieren, bis er und seine Meute den Hungertod sterben.«
    »Die werden dort nicht vor Hunger sterben«, sagte Ikaron. »Sie werden weiterleben und sich vermehren. Es wäre besser, ihnen jetzt ein Ende zu bereiten.«
    Montian blickte Ikaron ruhig, fast schon herausfordernd an. Gemächlich hob er erst die eine Vorderpfote von der Rinde, dann die andere, leckte sie und setzte sie wieder auf. »Du plädierst auf Mord?«
    »Reißzahn selbst hat schon gemordet. Er muss für diese Taten zur Rechenschaft gezogen werden.«
    »Mit Sicherheit ist Patriofelis’ Lösung besser, als noch mehr Blut zu vergießen«, sagte Montian.
    Dämmer konnte nicht anders, er fing an, diesen Feliden abgrundtief zu hassen. Auch wenn Montian nicht persönlich für das Gemetzel verantwortlich war, so waren es doch Feliden gewesen, die Dämmers Mutter ermordet hatten, und hier versuchte er nun, Dämmers Vater und die Chiropter als blutrünstig hinzustellen. Das war empörend.
    »Ich verstehe deinen Zorn«, fuhr Montian fort, »und es tut mir wirklich leid, dass du und deine Kolonie

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