Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtflug Zur Hölle

Nachtflug Zur Hölle

Titel: Nachtflug Zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dale Brown
Vom Netzwerk:
Lebens!
    Aber dann sah Kortyschkow, wie Palcikas, dieser litauische Bauernlümmel, seine Pistole hob und in Richtung Zaun schoß. Unglaublich! Der Oberst lief ans Fenster gegenüber und beobachtete, wie einer seiner Soldaten zu Boden ging. Daß Palcikas auf ihn geschossen hatte, stand für Kortyschkow ganz außer Zweifel. Palcikas schoß auf die OMON-Soldaten!
    Der gemeinsame Angriff der Kampfhubschrauber Mi-24 hatte noch keine halbe Minute gedauert, aber Palcikas sah Dutzende von Männern, Frauen und Kindern, die vor dem Zaun tot auf dem Erdboden lagen.
    Nicht einfach nur tot – vernichtet, ermordet.
    Kolginow und Palcikas waren wie vor den Kopf geschlagen. Beide hatten in Afghanistan gegen die Guerillas gekämpft und mehr als einmal die Folgen eines Mi-24-Angriffs gesehen. Aber diese unbeschreiblichen Schreckensbilder machten sie zunächst sprachlos.
    Palcikas riß sein Handfunkgerät hoch, stellte mit zitternden Fingern die GUS-Wachfrequenz ein und brüllte auf russisch: „Hubschrauber im Raum Denerokin, hier General Palcikas! Angriff sofort einstellen! Außerhalb des Geländes sind nur unbewaffnete Zivilisten! Angriff einstellen!«
    Hinter dem Zaun fielen noch immer vereinzelt Schüsse, und der Rotorlärm der über ihn hinwegfliegenden Hubschrauber war so gewaltig, daß Palcikas nicht wußte, ob die Piloten seinen Befehl gehört hatten. Sekunden später drehten die Hubschrauber jedoch nach Westen ab, bildeten eine Kette und gaben einander Feuerschutz, während sie zur Landung auf dem Reaktorgelände ansetzten.
    Kortyschkow wollte seinen Ohren nicht trauen, als er hörte, mit welcher Unverschämtheit dieser Palcikas den Hubschraubern auf der Wachfrequenz befahl, ihren Angriff abzubrechen. Da er sich als General identifiziert hatte und die Mi-24 von außerhalb des Geländes nicht beschossen wurden, blieb den Piloten nichts anderes übrig, als seinen Befehl auszuführen. »Dieses Schwein!« fluchte der Oberst.
    »Dieses feige Schwein!« Kortyschkow stieß einen Wachposten beiseite, riß ein AK-47 aus der Haltung neben der Tür und rannte auf den um den Wachtturm führenden Laufgang hinaus.
    Palcikas hatte sich inzwischen wieder hinter den Funkwagen zurückgezogen, so daß Kortyschkow kein freies Schußfeld hatte. Er beugte sich übers Geländer und brüllte nach unten: »Sergeant! Nehmen Sie zwei Gruppen mit und verhaften die Anführer und General Palcikas! Los, los, Beeilung!« Dreißig seiner Schwarzen Barette versammelten sich rasch um den Sergeanten, erhielten knappe Befehle und trabten in zwei Reihen Richtung Haupttor davon.
    Die Folgen des Hubschrauberangriffs waren so entsetzlich, daß Palcikas und Kolginow zunächst wie gelähmt dastanden und die Leichenberge um sie herum anstarrten: Frauen, Kinder, alte Menschen und ihre eigenen Soldaten, die wie Weizen unter einem Mähdrescher gefallen waren. Jedes Stöhnen, jeder Schmerzensschrei, jedes Zucken der Überlebenden zerriß Palcikas das Herz – und ließ eine Einsicht in ihm reifen.
    Hier sind keine Russen gestorben, erkannte Palcikas.
    Einzig und allein Litauer.
    Wie sooft in der tausendjährigen Geschichte Litauens waren seine Landsleute nichts wert gewesen. Obgleich er Macht und Einfluß besaß, hatte er praktisch nichts tun können, um sie zu retten.
    Jetzt zwang er sich dazu, tätig zu werden. »Trakai alarmieren!«
    wies er Kolginow an. »Wir brauchen sofort Krankenwagen, Busse, Lastwagen – alles, was Verletzte transportieren kann. Benachrichtigen Sie die Krankenhäuser…«
    In diesem Augenblick hörte Palcikas eine Frauenstimme, die das Stöhnen und die Schreie der Sterbenden übertönte und seinen Namen rief. Er sah Anna Kulikauskas, deren Kleidung, Gesicht, Haar und Hände blutverschmiert waren, auf sich zuwanken. In den Armen trug sie ein totes Kind – ein Mädchen von fünf bis sechs Jahren –, das Kolginow ihr rasch abnahm. »Palcikas… Palcikas, du Verbrecher!«
    kreischte sie hysterisch… Warum hast du das getan? Um Himmels willen, warum nur…?«
    »Anna! Sind Sie verletzt?«
    »Nein … mir fehlt nichts, außer … Großer Gott, Palcikas, sie sind alle tot! Alle tot…«
    Er starrte sie erschrocken an. »Doch nicht etwa…«
    »Doch! Die Botschafter, der amerikanische Senator … sie wollten zum Tor. Die Schwarzen Barette haben auf sie geschossen. Dann die Hubschrauber… die haben einen nach dem anderen abgeknallt …«
    »Sie bleiben hier, Anna. Hier sind Sie sicher.«
    »Warum haben Sie das getan?« schrie sie wieder. »Warum haben

Weitere Kostenlose Bücher