Nachtflug Zur Hölle
Reinigungspersonal im Speisesaal hatte Dave Luger sein tägliches Laufpensum kontinuierlich gesteigert: Heute war er einen ganzen Kilometer weiter gelaufen als noch vor vier Wochen. Er hatte an Gewicht verloren, aber sein Körper wirkte drahtig und fit wie der eines Marathonläufers. Gleichzeitig hatte sich sein Verhältnis zu den Kollegen verschlechtert, denn er war schweigsam und reizbar geworden.
Als Luger eines Tages wieder auf dem Laufband trainierte, wurde Wiktor Gabowitsch auf ihn aufmerksam und beschloß, ihn sich vorzuknöpfen.
Der Grund für die bei Luger beobachtete Veränderung war bei der routinemäßigen Untersuchung einer Urinprobe entdeckt worden – Luger hatte ein Mittel erhalten, das auf ein breitgefächertes Spektrum von Psychopharmaka reagierte und Brechreiz hervorrief. Gabowitsch vermutete, der litauische Agent müsse es ihm beigebracht haben. Die Wirkung war binnen einer Woche abgeklungen, aber danach hatte Luger unter einer schweren Bulimie gelitten, bei der sich Freß- mit Brechanfällen abwechselten, und aß jetzt überhaupt nichts mehr. Durch sein Fasten hatte er so viel Gewicht verloren,, daß abzusehen war, wann er zusammenklappen und stationäre Behandlung brauchen würde.
Gabowitsch betrat den kleinen Fitneßraum, als Luger eben vom Laufband stieg. Teresow, der ihn begleitete, blieb an der Tür stehen und ließ den Amerikaner nicht aus den Augen. »Wie ich sehe, geht’s Ihnen besser, Dr. Oserow«, sagte Gabowitsch. Keine Antwort.
»Stimmt irgend etwas nicht?« hakte er nach.
»Doch«, antwortete Luger auf russisch. »Alles in Ordnung.«
»Sie müssen mir gegenüber aufrichtig sein, Doktor«, verlangte Gabowitsch etwas nachdrücklicher. »Sie haben dem Sicherheitspersonal so gut wie keine Hinweise auf diesen Mann vom Reinigungsdienst gegeben, der offenbar ein Eindringling gewesen ist. Ihre persönliche Sicherheit und der Erfolg Ihrer Projekte beruhen auf genauer und rechtzeitiger …«
»Ich hab’ Ihnen gesagt, daß ich nichts weiß!« stieß Luger auf Englisch hervor. Er starrte Gabowitsch an, als überlege er, ob er weitersprechen solle, wandte sich dann ab und griff nach einem Handtuch. »Ich gehe jetzt duschen.«
»Was hat dieser Mann zu Ihnen gesagt, Doktor?«
»Nichts.«
»Das ist gelogen.«
Luger drehte sich plötzlich um und warf das Handtuch nach Gabowitsch, traf ihn jedoch nicht. Teresow zog die Pistole aus seinem Schulterhalfter. Das würde die Wachen alarmieren, die diese Szene auf ihren Monitoren sahen. Aber darauf kam es nicht mehr an. Das Spiel war endgültig aus.
»Sie haben mich die ganze Zeit angelogen!« brüllte Luger. »Sie behaupten, ich sei ein in Rußland geborener russischer Staatsbürger, aber ich bin hier gefangen! Ich hab’ die verdammte Sonne schon wochenlang nicht mehr zu Gesicht bekommen! Ich will…«
Drei Mann des Sicherheitspersonals kamen hereingestürmt – ohne Schußwaffen, aber mit Schlagstöcken in den Händen. Einer stürzte sich auf Luger, während die beiden anderen sich schützend vor Gabowitsch aufbauten. Gabowitsch schob sie etwas beiseite, um Luger im Auge behalten zu können.
»Ich hab’ gewußt, daß ich ständig überwacht werde«, sagte Luger mit hämischem Grinsen, das jedoch verschwand, als der Wachmann ihm die Arme auf den Rücken drehte. »Ich hab’s bloß mal testen wollen.«
»Ein origineller Verdacht«, meinte Gabowitsch. »Zum Glück brauchen Sie sich darüber nicht langer den Kopf zu zerbrechen. Diesen Raum haben Sie heute zum letzten Mal gesehen.«
»Das ist mir scheißegal!« behauptete Luger heiser. »Meinetwegen machen Sie mit mir, was Sie wollen! Ich bin ein Erzverräter. Ich hab’ den Tod verdient.«
»Sie sollen Ihren Willen haben«, versprach Gabowitsch ihm lächelnd, »aber zuvor interessiert uns, wieviel den Vereinigten Staaten Ihr Leben wert ist. Da sie weder Aufwand noch Risiko gescheut haben, um einen Agenten in unser Institut einzuschleusen, scheinen Sie wertvoll zu sein. Unter Umständen sind sie bereit, ein hohes Lösegeld für Sie zu zahlen. Sollte das nicht der Fall sein, erzählen Sie uns einfach alles, was Sie übers High Technology Aerospace Weapons Center und den Single Integrated Operations Plan wissen.«
»Ich erzähle Ihnen gar nichts!« widersprach Luger hitzig. »Sie haben mich lange genug ausgehorcht. Es gibt nichts, was mich dazu bringen könnte, mit Ihnen zu reden. Das ist mein letztes Wort!«
Gabowitsch lächelte schwach. »Ach, wirklich? Richtig, das hätte ich beinahe
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