Nachtflug Zur Hölle
Panzerverbände angegriffen haben«, stellte Palcikas fest. »Das entspricht genau meinem Plan. Größere Verluste können wir uns nicht leisten. Der Gegner kann sich rasch erholen, und wenn wir tief in Weißrußland eingekesselt werden, riskieren wir, völlig aufgerieben zu werden.
Nein, solange Sturm und Regen anhalten, müssen wir uns zurückziehen, statt weiter anzugreifen. Unser Auftrag ist erfüllt.«
»Entschuldigen Sie, General«, wandte Zukauskas ein, »aber wir haben den Auftrag, Litauen zu verteidigen. Wenn wir es jetzt schaffen, diese Panzerkolonne aufzuhalten, ist Litauen gerettet. Ich bin dafür, weiter anzugreifen!«
»Ich nehme Ihren Einwand zur Kenntnis«, antwortete Palcikas, »Geben Sie jetzt sofort den Rückzugsbefehl weiter.«
Zukauskas nickte, schien aber mit sich zu kämpfen, ob er nochmals widersprechen solle. Bereits im nächsten Augenblick drehte er sich mit einem Funkspruch zu Palcikas um. »General, Bataillon drei hat die Autobahn nach Norden überschritten und greift die Panzerkolonne an. Oberst Manomaitis meldet sechs zerstörte oder liegengebliebene T-72.«
»Verdammt!« fluchte Palcikas so laut, daß sogar die Piloten vorn im Cockpit ihn noch hörten. »Sollte Manomatis diese Dummheit überleben, dreh’ ich ihm eigenhändig den Kragen um!«
»Wir könnten ihn zurückbeordern«, sagte Oberst Zukauskas, »aber dann müßten wir seinen Rückzug mit Teilen von Bataillon zwei oder den Hubschraubern decken. Greifen wir dagegen mit allen Kräften an …«
»Das sind die blutrünstigen Sprüche eines Mannes, der trocken und warm in einem Hubschrauber sitzt, Oberst«, sagte Palcikas aufgebracht, »während draußen sechzehnjährige Freiwillige im Feuerkreis weißrussischer Panzer durch knietiefen Schlamm stolpern.
Unsere Hubschrauber müssen wegen Treibstoffmangels bald nach Litauen zurück, und wir haben kaum noch SA-7 – haben Sie das vergessen? Geben Sie sofort meine Befehle durch: Bataillon eins geht zum Punkt ›Wirbelsturm‹ zurück und übernimmt den Schutz der Westflanke, bis …«
Die Mi-8 begann plötzlich zu schwanken und durchzusacken, als ihr Rumpf von schwerem MG-Feuer durchsiebt wurde. Die Kabine füllte sich mit ölig beißendem Qualm.
»Wir müssen notlanden, General!« rief der Pilot nach hinten, während die Cockpitbeleuchtung erst flackerte und dann ganz ausfiel.
»Vorsicht beim Aufsetzen!«
Palcikas sah, wie ihre Raketenbehälter abgeworfen wurden, während die Piloten sich bemühten, einen guten Landeplatz zu finden, der möglichst weit im sicheren Hochland, aber trotzdem nicht zwischen Felsen liegen sollte.
Der große Kampfhubschrauber setzte krachend auf, aber sein Dreibeinfahrgestell blieb intakt, und die Mi-8 stürzte glücklicherweise nicht um. So wurde trotz der Notlandung niemand verletzt. Während die Soldaten ausschwärmten, um den Landeplatz zu sichern, suchten Palcikas und sein Stab die Geheimunterlagen zusammen, nahmen ihre Handfunkgeräte mit und verließen die Maschine.
»Los, ab in die Berge!« befahl Palcikas seinen Soldaten. »Funker, versuchen Sie, Oberst Manomaitis zu erreichen. Melden Sie ihm, daß wir notgelandet sind. Er soll einen geordneten Rückzug zum Punkt ›Blitz‹ überwachen. Danach rufen Sie Sperling zehn, damit er uns abholt. Aber funken Sie nur kurz, sonst peilt uns der Feind an und …«
Im nächsten Augenblick warfen sich alle in Deckung, als in unmittelbarer Nähe Granaten einschlugen. Die weißrussischen Panzer begannen ihren Gegenangriff. Aus Westen rasselten mehrere T-72 heran – nachts waren Entfernungen schlecht zu schätzen, aber Palcikas vermutete, sie seien schon auf weniger als 4000 Meter herangekommen –, und sein Bataillon eins flüchtete vor ihren schweren 12,5-cm-Kanonen. Zwei litauische Panzer waren bereits getroffen und brannten lichterloh. »In die Berge!« rief Palcikas. »Versteckt euch, aber fallt in keine Schlucht. Beeilung!«
Nachdem Palcikas seine Männer gezählt hatte, folgte er ihnen bergauf und blieb dann stehen, um sein Handfunkgerät zu benutzen.
Das mußte er riskieren, sonst wurden sie in wenigen Minuten abgeknallt oder überrannt. »Bataillon zwo, hier Alpha. Schickt Panzerjäger zur Bekämpfung von vier bis sechs T-72 nach Westen. Bataillon eins befindet sich auf dem Rückzug und braucht…«
Palcikas hörte ein lautes Splittern und Krachen und glaubte, das linke Bein sei ihm abgeschossen worden. Zunächst empfand er keinen Schmerz – nur eine Art Gefühllosigkeit und zugleich
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