Nachtflug Zur Hölle
»Kein Wort mehr, sonst stopfe ich Ihnen persönlich den Mund!« Er sank in seinen Schreibtischsessel, fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, studierte die Aufnahme gründlich und versuchte, etwas zu entdecken … irgend etwas zu entdecken, das auf eine Fälschung hinwies. Schließlich waren in den letzten Jahren immer wieder gefälschte Fotos veröffentlicht worden – vor allem Aufnahmen, die angeblich amerikanische Kriegsgefangene in Vietnam zeigten.
Elliott seufzte. Das Foto schien echt zu sein, was alles schwieriger machte: Es bedeutete, daß Luger nicht tot war – und das warf viele Fragen auf. Wo war er? Was war passiert? War er von den Sowjets gefangengenommen und umgedreht worden? Oder hatte er etwa …
Elliott verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Gewiß, irgend jemand würde sich fragen, ob Luger etwa schon immer… für die andere Seite gearbeitet hatte…, aber Elliott wußte, daß das absurd war.
Dafür kannte er Luger zu gut. Er kannte Luger ebensogut wie McLanahan und die übrige Besatzung.
Nein, David Luger war kein Verräter. Oder zumindest war er keiner gewesen. Aber er war ein Gefangener. Oder ein Kollaborateur, den man einer Gehirnwäsche unterzogen hatte. Dagegen waren selbst die besten Männer hilflos. Elliott hatte solche Fälle in Vietnam bei seinen eigenen Leuten erlebt. Aber wenn sie ihn dort rausholen konnten…
White hielt das Schweigen nicht länger aus. »Darüber müssen wir reden, General.«
»Augenblick! Halten Sie doch mal eine Sekunde lang den Mund!«
Elliott drückte auf eine Taste seiner Gegensprechanlage. »Sergeant Taylor ich bin jetzt mit den Vorarbeiten fertig. Sorgen Sie dafür, daß ich nicht gestört werde – außer wegen eines wichtigen Anrufs.«
»Ja, Sir«, antwortete der Sergeant.
»Wir nennen unsere Aufzeichnungsgeräte ›Sandwiches‹ statt ›Vorarbeiten‹«, sagte White lächelnd. »Das Wort läßt sich leichter in Gespräche einbauen.«
»Das ist nicht lustig, White«, stellte Elliott fest. »In den sechs Jahren hinter diesem Schreibtisch habe ich dieses Tonbandgerät noch nie abgestellt – ich wüßte nicht mal, auf welchen Knopf ich drücken müßte. Sparen Sie sich also Ihre witzigen Kommentare. Wo arbeiten Sie, White?«
»Bei der Intelligence Support Agency«, entgegnete White sofort.
Elliott wußte, daß die ISA dem Director of Central Intelligence unterstand: ein Spezialteam zur Unterstützung seiner im Ausland eingesetzten Leute. Angehörige dieses Teams wurden gerufen, wenn die eigenen Leute in der Klemme saßen — oder wenn etwas außerhalb des normalen Dienstwegs zu erledigen war. »In welchem Programm?«
White zögerte. Wegen seiner streng geheimen Tätigkeit war das eine ganz normale Reaktion. Aber für Elliott, der sie als Unaufrichtigkeit deutete, bewies sie, daß dies wirklich eine Falle war. »Los, raus mit der Sprache, White!«
»MADCAP MAGICIAN«, antwortete der Oberst.
»Nie davon gehört.«
»Und ich möchte wetten, daß Sie in ihren Hangars einiges stehen haben, von dem ich nichts weiß, General«, sagte White. „Wir sind eine bunt zusammengewürfelte Truppe aus Luftwaffen- und Marineangehörigen, die auf dem Bergungsschiff USS Valley Mistress stationiert ist. Wir setzen mehrere der hier entwickelten CV-22 PAVE HAMMER ein. Unsere Spezialität sind Aufklärungseinsätze.«
»Haben Sie diesen Informanten in Litauen geführt?«
»Die CIA hat ihn geführt, aber die Verbindung zu ihm ist abgerissen, als er geflüchtet ist. Der KGB war ihm auf den Fersen.«
»Den KGB gibt’s nicht mehr.«
»Falsch, Sir. Der KGB ist weiter aktiv – vor allem in den baltischen Staaten. Er heißt jetzt MSB – Rat der Republiken für Sicherheit –, aber dahinter stecken der alte KGB und die Truppen des Innenministeriums. Die Namen haben sich geändert, aber die Gesichter sind die gleichen geblieben. Die Mächtigen von einst sind Söldner geworden, und sie arbeiten nicht mehr für Moskau, sondern für den Meistbietenden. Eine KGB-Zelle, die wir schon länger beobachten, existiert in Wilna, vor allem im Umkreis des Fisikus-Instituts. Dort übernimmt der KGB ›spezielle‹ Sicherheitsdienste – Bestechung, Erpressung, sogar Hinrichtungen –, um die zuständigen litauischen Behörden davon abzuhalten, das Fisikus zu schließen. Wir begegnen dem KGB bei unserer Arbeit auf Schritt und Tritt.«
»Sie sind losgeschickt wurden, um den Informanten rauszuholen?«
»Es war ein litauischer Offizier in einer in Wilna stationierten weißrussischen
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