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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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unsere Stadt. Wir haben sie gegründet. Wir haben sie gebaut. Wir haben sie zu dem gemacht, was sie heute ist. Ohne Magie. Ohne unsere Frauen dazu zu zwingen, sich die Hände schmutzig zu machen und ihre zarten Körper zu überanstrengen. Ohne die Gesundheit und Moral unserer Söhne und Töchter zu gefährden.«
    Am Ende einer jeden Erklärung hielt er inne und gab Gelegenheit zu gemurmelten Beifallsbekundungen, deren Chor sich hob und senkte wie das Meer. »Wir haben diese Stadt mit ehrlicher Arbeit erbaut. Sie war sicher und friedlich. Und was haben wir jetzt? Große Brände, die Hunderte töten. Magische Stürme, die wer weiß wie viele Hunderte mehr töten. Der Bruder unseres Erzherzogs verhext. Eine Dame ermordet. Ein Magier, der des Mordes und der Hexerei angeklagt ist.« Das Murmeln schwoll zu Entrüstung an. Er sprach jetzt schneller und nahm Fahrt auf. »Einer unserer Edelleute auf der Straße niedergeschossen. Das ist die Art und Weise, wie sie miteinander umgehen. Es ist nicht die Art, wie wir uns benehmen. Sollen sie ihre vergiftende Magie, ihre giftigen Frauen und ihre barbarischen Sitten nehmen und dorthin zurückkehren, wo sie hergekommen sind. Sollen sie wieder unter Menschen wie dem Wahnsinnigen Baron leben. Sollen sie in die Schattenländer zurückkehren, zu ihren abscheulichen Brüdern und Schwestern.«
    Das Murmeln schwoll zu einem gedämpften Donnern an. Eine dünne, anonyme Stimme brüllte: »Brecht ihre Türen auf. Löscht ihre Lichter aus!« Andere Stimmen fielen ein. »Schickt sie in die Grenzlande zurück. Schmelzt sie alle.«
    Sylvide sagte schwach: »Oje.«
    Es gab Gesetze gegen die Aufhetzung zum Rassenhass. Die Behörden wussten um solche Zwischenfälle und würden in Kürze eingreifen, um den Sprecher zum Schweigen zu bringen, wenn nicht gar zu verhaften und die Menge zu zerstreuen – doch die war so groß und unberechenbar, dass ein Aufruhr drohte. Telmaine konnte die brodelnde Gewalt um sich herum spüren, so fiebrig, wie das Miasma über Balthasars Hauseingang kalt gewesen war. Der Kutscher verdoppelte seine Anstrengungen, aus dem Randbereich der Menge zu verschwinden. Aber die Menschen waren zu erpicht darauf, dem Sprecher nahe genug zu kommen, um die Rufe des Kutschers wahrzunehmen und sich überhaupt noch groß um ihre Umgebung zu scheren. Der Kutscher musste jetzt ebenso sehr nach Gefühl und Gehör fahren wie nach seinen Sondierungen, während er verzweifelt versuchte, der Menge zu entkommen, bevor sie sich gegen die vornehme Kutsche wandte. Natürlich durfte er dabei niemanden verletzen, denn das hätte den Versammelten erst recht einen Anlass gegeben, ihre Aggressionen gegen ihn und seine vornehmen Fahrgäste zu richten. Doch bei aller Vorsicht würde in dieser Situation mindestens eine Person, wenn nicht mehrere, unter Hufen und Rädern zerquetscht werden. Der Sprecher schwadronierte noch immer, eine Orgie von Gift und Galle. »Verbrennt die Magier!«, hörte sie ihn schreien und verspürte den jähen, zornigen Wunsch, er möge die Stimme verlieren.
    Mitten im Satz hielt er plötzlich krächzend inne. Ihr Mund öffnete sich zu einem schockierten Protest. Sie hatte nicht … sie konnte nicht …
    Dann hörte sie das sich überlagernde Geklapper zahlreicher Hufe, Rufe, schriller Schreie und mehrerer Schüsse. Sylvide fummelte ihre Pistole aus der Schatulle. Eine Männerstimme brüllte Befehle, gefolgt von einem Fluch und dem Knallen einer Peitsche, als jemand die Befehle in Zweifel zog. Die Kutsche machte einen Satz nach vorn und nahm unter einer unbekannten Eskorte sprunghaft Fahrt auf. Mit einer Hand klammerte sich Sylvide an die Armlehne des Sitzes und mit der anderen an ihre Pistole. Telmaine hielt sich mit ihrer unverbrannten Hand ebenfalls an der Armlehne fest. Die Kutsche bog um eine Kurve in eine Nebenstraße ein und blieb dort stehen. Sie hörten die kräftige Stimme eines Mannes, der ihrem Fahrer Anweisungen erteilte. Sylvide sagte schwach: »Das ist Ferdenzil Mycene.«
    Einen Moment später peilten sie Bewegung vor der immer noch aufstehenden Fensterabdeckung. Der Mann beugte sich über den Hals seines hochgewachsenen Pferdes, um hineinzupeilen, auf eine zu schroffe Weise, um zur Gänze den Regeln der Vornehmheit zu entsprechen. »Geht es den Damen gut?«
    Sie hatte immer gedacht, dass der Steinmetz, der einmal sein Standbild schaffen würde – in Ferdenzils Nähe neigte man dazu, an dergleichen zu denken –, ein Genie würde sein müssen oder vor Frustration dem

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