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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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Uniform der städtischen Gesetzeshüter. Er sagte: »Kennen Sie dieses Haus, Frau?«
    »Das ist Frau Telmaine Hearne und dies das Haus ihres Ehemannes«, erklärte Sylvide im Ton einer großen Dame, so gut sie das im Moment vermochte. Ihr Hochmut mochte nicht überzeugend gewesen sein, aber ihre kultivierte Stimme war es. Der Agent, zur Vorsicht gemahnt, wenn auch nicht zu allen Regeln des Anstands bekehrt, fragte höflicher: »Frau Hearne, könnte Ihr Mann …?« Er geriet ins Stocken.
    »Nein!«, antwortete sie, entsetzt über den bloßen Gedanken. Bei Imogenes Fluch, war das damit beabsichtigt gewesen, sollte das Licht denjenigen verbrennen, der als Nächstes die Tür öffnete …? Der Boden unter ihr schwankte. Ich muss mich übergeben, dachte sie und dann: Nein, ich werde …
    Jemand wusch ihr mit kühlem, aromatisiertem Wasser das Gesicht. Unbeholfen lag sie auf einer gepolsterten Bank, die zu kurz für sie war und die im vertrauten Rhythmus einer Kutsche, die über Pflastersteine fuhr, schwankte und holperte. Sie hielt sich ihre schmerzende Hand vors Sonar, zu verwirrt, um sich daran zu erinnern, dass sie es lieber nicht so genau wissen wollte.
    Sylvide nahm ihre Hand, legte die eigene vorsichtig um deren Finger, schützte die Brandwunden. »Es ist noch alles da, Tellie, Liebes, aber du wirst eine abscheuliche Narbe zurückbehalten.« Telmaine konnte durch die Berührung von Haut auf Haut Sylvides Schrecken und Angst spüren. »Ich werde deine Handschuhe niemals wieder töricht nennen, Tellie. Deine Hand hätte vollkommen verbrennen können.«
    »Ich dachte, sie sei verbrannt«, flüsterte sie. »Wo … wo fahren wir hin?«
    »Du musst einen Arzt aufsuchen. Es ist trotzdem eine schlimme Brandwunde. Ich dachte … nun, ich wusste nicht, ob ich dich zu deiner Schwester oder zu Balthasar bringen sollte.«
    »Sag … es ihm nicht.«
    Die Kutsche schlingerte, und Sylvide ließ Telmaines Hand los, um sich auf die dekorative Armlehne der Bank zu stützen. »Ich fürchte, liebe Tellie, dass dieser Agent wohl eine sehr blühende Fantasie hatte. Ich glaube, er hat sich eine kleine Geschichte zurechtgelegt, wie du deinen Mann verbrannt hast. Allerdings ist mir schleierhaft, wieso er dachte, du hättest das tun können, ohne dich selbst zu verbrennen.« Sylvide war eine leidenschaftliche Leserin melodramatischer Mordgeschichten und hinreichend vertraut mit der Logik literarischer Morde. »Also vermute ich, dass er sich nach Bals Aufenthaltsort und Wohlergehen erkundigen wird.«
    »Ah«, sagte Telmaine stöhnend. »Ich wollte nicht, dass Bal davon erfährt. Hat er … hat der Agent … das Haus markiert?«
    »Ja. Sobald ich meine Schwiegermutterstimme aufgesetzt hatte.«
    Sie versuchte, die Finger durchzudrücken. Sofort verspürte sie einen qualvollen Schmerz. War eine durch Licht entstande Wunde anders als andere Wunden? Würde sie verheilen? »Vielleicht wird er diese Wand endlich richtig schließen lassen. Er liebt sie, musst du wissen«, gestand sie mit einem Schluchzen. »Er hat sie immer geliebt, solange ich ihn kenne. Vermutlich gesteht er sich selbst nicht einmal ein, wie sehr er sie liebt. Aber ich weiß es. Ich sage mir, es gibt Schlimmeres: Es könnte eine nachtgeborene Mätresse sein. Jemand, den er berühren könnte.«
    Sylvide gurrte in wortlosem Mitgefühl. Das Schlingern der Kutsche verursachte der liegenden Telmaine Übelkeit. Mit ihrer gesunden Hand und ihren Ellbogen zog sie sich hoch und hielt ihre verletzte Hand fest, um sie zu schützen. Sofort warf ein besonders heftiger Ruck sie beinahe um. Sylvides rasche Umarmung stützte sie im letzten Moment.
    Die Kutsche blieb stehen. Sylvide entriegelte und öffnete ein Fenster. Sie waren zu versunken in ihr Gespräch gewesen, das Geräusch der Räder auf dem Pflaster zu laut, um die Menge draußen zu hören. Doch jetzt vernahm sie das aufgeregte Tosen um sich herum inmitten eines Nebels von Peilrufen, den sie nicht zu durchdringen vermochten. Telmaine erkannte, dass sie sich auf der Unteren Erzherzoglichen Meile befanden, in der Nähe der Gerichte, der wichtigsten Zeitungen und gegenüber dem Sprecherplatz. Der Sprecherplatz stellte den Ort dar, an dem die Missionare, Seelenfänger und Unruhestifter der Stadt traditionell öffentlich sprechen konnten. Einer der Letzteren war gerade voll in seinem Element. Er sprach mit mächtiger Stimme und zog eine ungewöhnlich große Menge an, die sich bis auf die Straßen rings um den Platz drängte. »… Dies ist

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