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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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können.
    »Balthasar, was machst du denn da?«, fragte seine Schwester.
    Der Säugling drehte den Kopf zu dem glimmenden Kienspan.
    Das, so Balthasars Überlegungen, hätte genauso gut eine Zuckung oder ein Reflex sein können. Also ließ er den Kienspan wieder sinken, und der Kopf des Jungen folgte seiner Bewegung so lange, bis er das Interesse daran verlor und den Kopf wieder zu Balthasar wandte, um ihm ins Gesicht … zu starren? Mit leicht zittriger Hand warf Balthasar den Kienspan ins Feuer und erhob sich.
    Tercelle hatte den Kopf zur anderen Seite gedreht und sich beide Hände auf den flacher gewordenen Bauch gedrückt. Der Geruch von Blut hing schwer in der Luft. Olivede zog gerade ihre schmutzigen Handschuhe aus, als er in der Wiege eine Bewegung wahrnahm – ein kleiner Arm hatte sich bereits aus seiner Umwicklung herausgewunden. Balthasar ging hinüber und hielt der kleinen Hand seinen Finger hin. Zart wie eine Blume schloss sich die Säuglingshand um seinen Finger – die Haut so trocken und unversehrt, wie es die eines Nachtgeborenen in Dunkelheit sein sollte. Er räusperte sich.
    »Ich glaube«, sagte er, »dass sie womöglich sehen können.«
    Balthasar
    »Sehvermögen«, sagte Floria fasziniert. »Und ohne, dass sie von der Dunkelheit verletzt oder gar getötet würden …«
    Balthasar und Olivede lauschten den leichtfüßigen, rastlosen Schritten ihrer lichtgeborenen Nachbarin – ein gemessenes Schreiten, eine passe avant , wieder ein paar langsame Schritte, gefolgt von mehreren Vorstößen. »Ist es denn so undenkbar?«, fragte Balthasar, allerdings eher rhetorisch. Olivedes Bestätigung seiner Beobachtungen und ihre widerstrebende Anerkennung seiner Interpretation hatten ihn einigermaßen erschüttert.
    »Soweit mir bekannt ist, ja«, antwortete Olivede, die erschöpft, aber mit durchgedrücktem Rücken in dem breiten Ledersessel ihres Vaters saß. »Ich weiß jedenfalls von keiner Nachtgeborenen, die jemals ein Kind mit Sehvermögen geboren hätte. Hast du bei euch schon mal von einem Kind gehört, das blind zur Welt kam?«
    Floria hielt inne. »Ich bin keine Ärztin«, sagte sie – was nicht ganz aufrichtig war, fand Balthasar, denn ihr Beruf erforderte sehr wohl die Kenntnisse eines Mediziners in Bezug auf Verletzungen und Gifte. »Aber der Arzt des Prinzen arbeitet an einer Studie über Abnormitäten und führt eine Liste, in der Blindheit als Geburtsfehler nicht aufgeführt ist. Allerdings können wir unsere Sehkraft natürlich durch Verletzungen oder Krankheiten verlieren.«
    Balthasar hatte eines der Lehrbücher seines Großvaters auf dem Schoß sowie einen ganzen Stapel seiner eigenen, die er bereits alle durchforstet hatte. »Aus vergleichenden Studien zur Anatomie wissen wir, dass die Nachtgeborenen ohne die Nerven geboren werden, die bei den Lichtgeborenen von den Augen zum Gehirn führen – es liegt also eine Atresie des Sehnervs vor. Stattdessen besitzen wir zusätzliche Nervenbündel entlang der olfaktorischen und laryngealen Nerven, die für die Weiterleitung der wahrgenommenen Ultraschallimpulse zuständig sind. Hinzu kommt bei uns dann noch eine veränderte Morphologie der Larynx, damit überhaupt Ultraschall erzeugt werden kann … Neugeborene beginnen gewöhnlich erst im Alter von fünf bis sechs Wochen, Ultraschallsignale auszusenden, obwohl sie schon von Geburt an lernen, Ultraschall wahrzunehmen.«
    »Hm …«, meinte Olivede nachdenklich. »Imogenes Fluch scheint also auch die Segnung mit einzuschließen, dass lichtgeborenen Kindern von Geburt an die Voraussetzungen für die Ultraschallwahrnehmung ebenso fehlen wie den Nachtgeborenen die für das Sehvermögen. Ich frage mich nur, wo und wie das in dem Fluch angelegt ist und ob darin wohl noch andere Regelmäßigkeiten in Bezug auf Gesundheit und Krankheit verankert sind.« Sie tippte sich mit dem Rand ihres Glases ganz leicht gegen die Zähne.
    »Olivede«, sagte Floria, »hast du schon einmal von einer dritten Rasse in Imogenes Land gehört, einer Rasse, deren Angehörige sich sowohl in Licht als auch in Dunkelheit bewegen können, ganz wie es ihnen gefällt?«
    »Und die sowohl über Augenlicht als auch über Ultraschallwahrnehmung verfügen …«, führte Olivede den Gedanken fort. »Nur sehr wenig. Die üblichen Geschichten natürlich. Es gibt die Vorläufer, unsere Vorfahren aus der Zeit vor dem Fluch. Und die Fremdländer. Diese beiden Rassen sind wissenschaftlich gesichert.«
    »Aber die Vorläufer existieren

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