Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
vergessen Sie das Essen nicht. Wenn Sie geschlafen haben, dann können Sie wiederkommen!»
«Falls es Angelo schlechter gehen sollte, rufen Sie mich dann bitte an? Hier ist meine Handynummer.»
Fausto steckte Lauras Karte ein und zog die Augenbrauen hoch. «Ich kann doch auch die Privatnummer des Commissario wählen, oder?»
«Ist das hier eine große Verschwörung, oder was? Jeder scheint zu wissen, wo ich wohnen werde, Tommasinis Bruder hat meinen Koffer bereits in die Wohnung des Commissario gebracht …»
«Regen Sie sich nicht auf, Signora Laura. Siena ist nicht so groß, und wir vom Krankenhaus und die von der Polizei … wir kennen uns alle. Da spricht sich so was rum. Außerdem haben Sie damals, als ich Ihren Streifschuss genäht habe, auch schon beim Commissario gewohnt! Geben Sie’s zu!»
Laura breitete die Arme aus und schaute zur Decke hinauf. «Ich ergebe mich!»
«Perfetto! So, und jetzt lassen Sie sich von einem der schmucken ragazzi da draußen nach Hause bringen! Ciao! Der nächste Notfall wartet bereits!»
Als Laura wenig später neben Tommasini das Krankenhaus verließ, kam ihnen in der Eingangshalle eine zierliche Frau mit langen dunkelblonden Haaren entgegen. Die Frau stürzte auf Tommasini zu.
«Wie geht es dem Commissario?»
Der Sergente griff nach Lauras Ellbogen und schluckte.
«Er liegt im Koma. Sein Zustand ist stabil. Man kann ihn aber nicht besuchen.»
Die Frau musterte Laura auf seltsame Weise und verzog die Lippen.
«Muss man für ihn beten?»
«Beten ist immer gut», murmelte Tommasini und schob Laura Richtung Ausgang.
«Wer war das?», fragte Laura, als sie neben ihm im Wagen saß.
«Eine ehemalige Kollegin.» Er sprach so leise und undeutlich, dass Laura Mühe hatte, ihn zu verstehen. Er wirkte verunsichert, vermied es, sie anzusehen, und konzentrierte sich geradezu erbittert auf den Verkehr, der sich allerdings in Grenzen hielt.
«Aha», entgegnete Laura deshalb. Die Sonne stand tief und blendete, zwischen den Häusern öffnete sich hin und wieder der Blick auf die weite hügelige Landschaft. Das dunkle Rotbraun der frisch gepflügten Felder wirkte noch kräftiger neben dem matten Grün der Wiesen. Jetzt verstellten hohe Häuser den Blick, und die Straße führte steil hinauf in die Altstadt.
«Es hat wirklich Vorteile, wenn man bei der Polizei ist», sagte Tommasini unvermittelt, als wollte er das Thema wechseln. «Da kann man wenigstens in die Altstadt hineinfahren, ohne einen riesigen Strafzettel zu bekommen.»
«Mhm.»
«Wir sind gleich da. Meine Frau hat der Haushälterin vom Commissario eine Tüte mit Lebensmitteln gegeben. Damit Sie was zu essen haben, Signora Laura. Man weiß ja nie, was ein alleinstehender Mann so im Haus hat. Meine Frau hat Zenia auch gesagt, dass sie die Wohnung in Ordnung bringen soll.»
«Danke, Tommasini. Ich hoffe, dass wir bald alle gemeinsam ein Genesungsfest feiern können. Möglichst im
Aglio e Olio
.»
Tommasini nickte lebhaft und parkte den Wagen genau vor Guerrinis Haus.
«Ich bring Sie nach oben!»
«Nicht nötig.»
«Doch, es ist nötig! Sie sind heute früh in Ohnmacht gefallen!»
«Woher wissen Sie denn das?»
«Von Dottor Fausto. Er hat gesagt, dass ich auf Sie aufpassen soll!»
«Na, wunderbar!»
Tommasini runzelte die Stirn, nahm Lauras Rucksack und wartete darauf, dass sie die Haustür aufschloss. Schweigend folgte er ihr in den fünften Stock. Erst vor der Wohnungstür räusperte er sich: «Bene, dann werde ich jetzt gehen. Falls Sie etwas brauchen, hier ist die Nummer meiner Frau, und das hier ist meine Handynummer. Wenn Sie nicht selbst ins Krankenhaus fahren wollen, dann holt einer meiner Kollegen Sie ab … falls ich gerade keine Zeit habe. Ich wünsche gute Erholung.»
«Grazie, Sergente. Ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Fürsorge.» Laura streckte Tommasini die Hand hin. Er schlug ein und drückte die ihre sehr fest.
«Er wird wieder gesund, Signora Laura, ganz sicher.»
Als Tommasini sich zum Gehen wandte, sagte Laura:
«Ich glaube übrigens, dass ich weiß, wer die blonde Frau im Krankenhaus war.»
Er verharrte auf der dritten Treppenstufe, drehte sich aber nur halb um.
«Es war die Exfrau des Commissario, nicht wahr?»
Tommasini hob abwehrend eine Hand und ging langsam weiter.
Auch gut, dachte Laura. Er hat ja recht, wenn er sich raushält. Sie wartete, bis seine Schritte verklungen waren. Dann erst öffnete sie die Wohnungstür. Plötzlich fühlte sie sich wie ein Eindringling. Ihr
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