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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Augen, konnte das Gesicht der Schwester aber nur sehr unscharf sehen.
    «Commissario, mi può sentire? Können Sie mich hören?»
    Guerrini schluckte schwer, sein Mund war trocken, und er hatte das Gefühl, als wäre seine Zunge zur doppelten Größe angeschwollen.
    «Sì, posso sentire», flüsterte er. «Ich habe Durst.»
    «Das ist gut, Commissario. Ich bringe Ihnen gleich was zu trinken. Haben Sie auch Schmerzen?»
    Guerrini dachte über ihre Frage nach und entschied nach einer Weile, dass er keine Schmerzen hatte, nur ein wundes Gefühl in der Brust, und dass ihm das Atmen schwerfiel. Aber das zu erklären erschien ihm zu kompliziert, deshalb sagte er einfach: «No.»
    «Das ist gut», erwiderte sie und kühlte seine Stirn, betupfte auch seinen Hals. Die kühle Berührung erleichterte das Aufwachen, obwohl es in den Nebeln nicht so schlecht war, er hätte eigentlich nichts dagegen gehabt, wieder in ihnen zu versinken. Als die Schwester wenig später einen Trinkhalm zwischen seine Lippen steckte, saugte er, als hätte er nie zuvor auf andere Weise getrunken.
    «Bravo, Commissario», lobte sie zufrieden.
    Hatte das nicht auch seine Mutter gesagt, wenn er ordentlich gegessen und getrunken hatte? «Bravo, Angelo, sei molto bravo!» Es war vielleicht doch besser, ganz aufzuwachen. Zumal ihn das dunkle Gefühl beschlich, dass er Windeln trug.
    Verschwommen erinnerte er sich daran, bereits einmal aufgewacht zu sein und mit Laura gesprochen zu haben – oder vielleicht auch mit einer der Schwestern über Laura? Es konnte alles ein Traum sein. Der fliegende Hund war ja offenbar auch einer, und das beunruhigte ihn so sehr, dass er plötzlich sehr wach wurde. Er musste Laura sehen, mit ihr sprechen und ihr sagen, dass er sie liebte. Plötzlich kamen die Schmerzen, irgendwo unterhalb des linken Schlüsselbeins. Sie fingen an einem Punkt an und breiteten sich über seinen gesamten Brustkorb aus.
    Schwester Giulietta war inzwischen mit seinem Tropf beschäftigt und erklärte dabei ständig, was sie gerade machte.
    «Jetzt habe ich Schmerzen», flüsterte Guerrini, und Giulietta lächelte ihm zu, nickte und sagte: «Bravo! Ich werde Dottor Fausto holen!»
    Guerrini dachte über dieses erneute Lob nach, konnte seinen Sinn jedoch nicht deuten. Aber etwas ganz anderes fiel ihm ein: Falls Laura tatsächlich hier sein sollte, dann hatte sein Vater vermutlich die hervorragende Idee gehabt, sie in seiner Wohnung unterzubringen. Guerrini sah bei dieser Vorstellung ziemlich deutlich ein ungemachtes Bett vor sich ein paar von Carlottas blonden Haaren auf dem Kopfkissen und zwei halbvolle Espressotassen auf dem Wohnzimmertisch, eine mit Lippenstift am Rand. Er schloss die Augen und versuchte, wieder in die heilenden Nebel einzutauchen, doch es gelang ihm nicht. Er war und blieb wach.
    Wie ein Gewittersturm unterbrach Dottor Fausto kurz darauf Guerrinis sorgenvolle Gedanken.
    «Ah, il Commissario è ritornato! Welch schöne Überraschung. Sie haben Schmerzen? Das ist gut, dann werden wir gleich etwas dagegen tun! Hatten Sie angenehme oder schlechte Träume, Commissario? Die meisten haben schlechte Träume – es liegt ein bisschen an dem Mittel, das ich Ihnen gespritzt habe, und auch an den Nachwirkungen der Narkose. Man kann nie wissen, wie die Menschen reagieren. Es ist sehr unterschiedlich. Wie fühlen Sie sich?» Fausto zog eine Spritze auf.
    «Verkatert.»
    «Bravo, bravo, das ist eine gute Beschreibung!»
    Schon wieder wurde Guerrini gelobt. Inzwischen fühlte er sich um Jahrzehnte verjüngt, als hätte seine Verletzung eine Art Zeitreise ausgelöst. Vielleicht sollte ich dem Nächsten, der «Bravo» zu mir sagt, eine reinhauen, dachte er, und dieser Einfall amüsierte ihn, er passte zu der Verkindlichung, die ihm gerade widerfuhr.
    Dottor Fausto sagte: «Gleich pikst es!», und verabreichte ihm die Spritze intramuskulär.
    Hatte das nicht auch sein Kinderarzt immer gesagt? Bei Impfungen und anderen Gelegenheiten? Und danach «Bravo», weil er sich nicht gemuckst hatte. Dottor Fausto sagte zum Glück nicht «Bravo».
    «Was haben Sie mir gespritzt?», fragte Guerrini, dem das Sprechen noch immer schwerfiel.
    «Ah, der Commissario ermittelt wieder! Es war etwas gegen die Schmerzen in Ihrer Brust. Sie hatten da ein ziemliches Loch, deshalb tut es auch weh …»
    «Wie lange muss ich hier noch liegen?»
    «Na, von der Intensivstation dürfen Sie morgen runter, wenn alles sich so gut entwickelt wie bisher … vielleicht auch schon

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