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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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geht um dich, Piselli! Deine Frau hat mich gerufen.»
    «Verdammte Lügen! Verschwinde!» Der Gewehrlauf senkte sich und zeigte genau in Guerrinis Richtung. Noch immer hatte Guerrini die Wagentür zwischen sich und Pisellis Gewehr. Ganz langsam rutschte er vom Fahrersitz und stand mit erhobenen Händen auf.
    Der Schuss erschütterte den kleinen Innenhof des Anwesens wie eine Explosion, aufjaulend verschwand der Hund in seiner Hütte, Tauben flüchteten mit knatternden Flügelschlägen, Hühner stoben gackernd ins Gebüsch. Kurz vor der Wagentür spritzte der harte Lehmboden auf, dann überschlugen sich die Ereignisse, denn im nächsten Augenblick stürzte sich Angela Piselli von hinten auf ihren Mann, beide fielen zu Boden, ein zweiter Schuss löste sich, traf irgendwas, dann stürmte Guerrini die fünf Steinstufen hinauf, packte Piselli am Genick, drehte seinen rechten Arm nach hinten, während die Signora noch halb auf ihm lag und das Gewehr umklammerte.
    «Sei matto, sei matto!», schrie sie immer wieder, und ein dritter Schuss löste sich, als sie das Gewehr endlich an sich riss. Das Geschoss flog knapp an Guerrinis Ohr vorbei, traf die massive Steinwand, prallte zurück und zog eine rote Furche quer über Giuseppe Pisellis Stirn und Wange. Blut spritzte auf, Giuseppe schrie, Angela kreischte vor Entsetzen. «L’ho ucciso! L’ho ucciso!», wiederholte sie immer wieder und warf das Gewehr in hohem Bogen in den Hof hinunter. «Ich habe ihn umgebracht!»
    «Blödsinn!», brüllte Guerrini und zog Giuseppe Piselli auf die Beine. «Holen Sie ein Handtuch, Angela, und halten Sie den Mund!»
    Sie starrte den Commissario mit offenem Mund an, stützte sich haltsuchend an die Wand.
    «Holen Sie ein Handtuch, verdammt nochmal!»
    Endlich löste sich ihre Erstarrung, sie schluckte, griff sich an die Kehle, drehte sich langsam um und verschwand im Haus. Pisellis Blut rann in dicken Tropfen, die hart auf die Steinfliesen fielen. Er selbst stand da und schaute mit aufgerissenen Augen den Tropfen nach, fasste sich nicht mal an die Wange. Sein Gesicht hatte etwas Ausgemergeltes, und Guerrini empfand einen unbestimmten Schmerz, musste wegschauen.
    Endlich kehrte Angela mit sauberen Tüchern zurück, die sie um Giuseppes Gesicht wickelte. Dann führten sie ihn in die Küche und setzten ihn auf einen Stuhl.
    «Hol ihm einen Grappa!», sagte Guerrini. «Hast du irgendwas zum Desinfizieren da?» Er war, ohne es zu bemerken, zum Du übergegangen. Angela nickte, nahm eine große Flasche aus dem Küchenschrank, drei Gläser und füllte sie mit dem gelblichen Treberschnaps, der beinahe zähflüssig wirkte. Sie tranken schweigend, und Guerrini schaute kurz zu der Plastikmadonna hinauf, die aus einem Kranz von künstlichen Blumen auf ihn herabblickte.
    «Wir sollten seine Wunde versorgen», sagte er dann. «Wir brauchen Desinfektionsmittel, Pflaster und Verbandszeug.»
    Angela Piselli leerte ihr Grappaglas, nickte und verschwand. Die Tücher um Pisellis Kopf hatten sich inzwischen rot gefärbt, doch es tropfte nichts mehr auf den Boden.
    «Wie kommst du auf die verrückte Idee, einen Commissario mit dem Gewehr zu bedrohen, eh?»
    Giuseppe Piselli antwortete nicht. Der Verband rutschte über seinen Mund, er schob ihn nach oben, hielt ihn fest.
    «Du kannst von Glück sagen, dass ich es war und nicht die Kollegen aus Asciano. Und ich kann dir eines sagen: Angela hat mir die Geschichte von dem Geldverleiher erzählt. Ich weiß also Bescheid.»
    Piselli stöhnte auf.
    «Hast du mich für den Kerl gehalten?»
    Piselli hielt seinen Kopf samt Verband mit beiden Händen, machte eine unklare Bewegung.
    «Es wäre nicht klug, wenn du auf ihn schießt. Falls du ihn triffst, dann ist es Mord, und du landest in einem unserer wunderbaren Gefängnisse. Nein, das würde ich dir nicht empfehlen, Giuseppe.»
    Guerrini bekam nur einen undeutlichen Fluch als Antwort. Ehe er weitersprechen konnte, kehrte Angela zurück und breitete ihre Hausapotheke auf dem Küchentisch aus.
    «Bene», murmelte Guerrini, «dann spielen wir mal Notarzt!»
    Vorsichtig lösten sie die Tücher von Giuseppes Gesicht und betupften die lange Schramme mit Desinfektionsmittel. Obwohl das sicher höllisch schmerzte, zuckte der Schreiner nur kaum merklich. Auch als Guerrini die Wundränder zusammenpresste und Angela sie mit Pflaster zusammenklebte, atmete er nur ein bisschen schwerer. Endlich hatten sie den neuen Verband angelegt, Angela räumte die blutigen Tücher fort, und Guerrini

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