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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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war wieder mit Piselli allein.
    «Besser?», fragte er.
    «Was?» Zum ersten Mal antwortete Piselli, allerdings mit einer Frage.
    «Na, die Wunde.»
    «Sie brennt.»
    «Wir mussten sie desinfizieren.»
    «Ich bin ja nicht blöd.»
    «Warum hast du dann auf mich geschossen?»
    «Ich hab nicht auf Sie geschossen.»
    «Was dann?»
    «Ich hab auf den Boden geschossen.»
    «Man schießt nicht auf den Boden, wenn ein Commissario im Wagen sitzt.»
    «Woher sollte ich wissen, dass Sie ein Commissario sind?»
    «Ich habe es laut genug gesagt!»
    «Ah, lassen Sie mich in Ruhe.»
    «Mach ich aber nicht, Giuseppe! Ich möchte wissen, von wem du Geld geliehen hast!»
    «Lassen Sie mich in Ruhe, haben Sie nicht gehört?»
    «Doch, ich will es aber trotzdem wissen.»
    «Angela, Angela, Angela … die redet und redet, erzählt alles herum, als wäre sie eins von diesen verfluchten Klatschblättern …» Pisellis Stimme wurde plötzlich heiser, er senkte den Kopf und schloss die Augen.
    «Ist dir nicht gut?» Guerrini legte seine Hand auf Pisellis Arm.
    «Blöde Frage. Wie soll mir denn gut sein, eh? Sie wissen es ja schon, was soll ich denn noch erzählen?»
    «Na ja, den Namen des Geldverleihers, der dir dein Haus und deine Werkstatt wegnehmen will. Es ist strafbar, so hohe Zinsen zu verlangen, Piselli. Wir können den Kerl ins Gefängnis stecken, und du kannst dein Haus behalten.»
    Piselli hob den Kopf und sah Guerrini an. Der dicke Verband bedeckte sein halbes Gesicht. Seine Augen lagen tief in den Höhlen unter der knochigen Stirn mit den buschigen dunklen Augenbrauen. Es waren zurückgenommene Augen, als hätten sie etwas sehen müssen, das sie niemals sehen wollten. Verletzte Augen, die einen forschenden, misstrauischen Ausdruck hatten.
    «Das glauben Sie doch selbst nicht, Commissario.» Er sprach diese Worte leise, mit einer so entwaffnenden Hoffnungslosigkeit, dass Guerrini nicht antworten konnte. Ihm kam es vor, als spräche eine ganz alte Geschichte aus Piselli, genau die, über die er vorhin im Nebel nachgedacht hatte.
    Inmitten dieser alten Bauernküche mit den hässlichen Plastikmöbeln und der Plastikmadonna schien wieder die Zeit stehenzubleiben.
    Diesmal war es kein Zaunkönig, der sie wieder anschob, sondern Angela Piselli.
    «Madre mia! Warum seid ihr so still?», fragte sie laut. «Ich mache jetzt Kaffee, und dann reden wir über diesen Mist!»
     
    Sie hatten lange geredet, zwischendurch viel Kaffee getrunken und noch ein paar Gläser Grappa. Giuseppe Piselli war allmählich ein bisschen gesprächiger geworden, nicht viel, aber immerhin. Den Geldverleiher beschrieb er als jungen Mann in Jeans und Lederjacke. Einer von der Bank hätte ihn empfohlen. Mehr könne er wirklich nicht sagen. Nicht welche Bank, nicht welcher Bankangestellter und auch nicht, wer dieser Geldverleiher sei. Eigentlich wisse er das ja selbst nicht. Und außerdem sei er nicht lebensmüde. Noch nicht, fügte er nach einer Pause hinzu.
    Ah, Guerrini hasste diese vagen Aussagen von Leuten, denen die Angst aus den Augen schaute. Er hasste diese schleichende Bedrohung, die immer mehr um sich griff. Er wusste selbst nicht mehr, wie er damit umgehen sollte. Voll Mitgefühl oder voll Wut? Er empfand beides, das machte es besonders schwer.
    Irgendwann erzählte er den beiden von der Leiche mit den Geldscheinen im Mund und dass es ein fetter Mann mittleren Alters gewesen sei, kein junger in Jeans und Lederjacke. Und er nahm die schnelle zitternde Bewegung von Pisellis Adamsapfel wahr, der mehrmals auf und ab zuckte. Das war eigentlich alles.
    Als er endlich aufstand, fühlte er sich steif, und draußen war es dunkel.
    «Du solltest deinen Mann zum Arzt fahren, Angela», sagte er. «Die Wunde muss wohl genäht werden.»
    «Jaja», murmelte sie und: «Wenn ich wüsste, wer dieser Verbrecher ist, dann würd ich es sagen, Commissario.»
    Erst als Guerrini die fünf Steinstufen zum Hof hinabging, fiel ihm Pisellis Gewehr wieder ein, das Angela wild von sich geschleudert hatte. Suchend schaute er sich um. Vor dem Haus gab es nur eine einzige Lampe, die kaum Licht ausstrahlte und doch gerade genug, um Guerrini die Waffe in der Mitte des Hofs zu zeigen. Sie lag genau unter der Oberleitung des Hundes, von dem allerdings nichts zu sehen war.
    Vorsichtig näherte Guerrini sich dem Gewehr, wollte es gerade aufheben, als ein schwarzes, zähnebleckendes, gurgelndes Geschoss auf ihn zuraste. Er taumelte zurück, prallte mit dem Rücken gegen die Hauswand, hörte

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