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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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hatte sie ihm den Tod gewünscht. Aus Schwäche. Auch das war ihr völlig klar. Diese verdammte eigene Schwäche. Sie hasste sich für diese Schwäche.
    Nein, sie konnte der Kommissarin nichts von
Vita divina
sagen, es wäre zu riskant. Auf irgendeine Weise musste sie Laura Gottberg davon überzeugen, dass alles genau so abgelaufen war, wie sie es bei ihrer ersten Begegnung erzählt hatte.
    Die Rückkehr in die Struktur fiel ihr diesmal nicht leicht, obwohl sie sich bemühte. Irgendwo war ein Riss, und dieser Riss machte Donatella Angst. Sie hatte sich selbst ausgeliefert, als sie dieser deutschen Kommissarin erzählte, dass sie Benjamin zum ersten Mal in Siena getroffen hatte.
Vita divina
lag ganz in der Nähe von Siena.
    Als sie den Wagen auf dem Parkplatz vor ihrer Firma abstellte, dauerte es ein paar Minuten, ehe sie aussteigen konnte, um ihren Mitarbeitern zu begegnen. Mit kühler Distanz betrachtete sie sich im Rückspiegel. Man konnte ihr die Anstrengung der letzten Tage ansehen, und sie erkannte, dass sich die Angst ganz nah unter der Oberfläche ihrer Struktur bewegte – wie ein Fisch, dessen Rücken oder Maul ab und zu die Wasseroberfläche durchbrach, um sofort wieder wegzutauchen.
     
    Auf dem Weg nach Hause beschloss Laura, noch schnell nach ihrem Vater zu sehen. Es war schon dunkel, viel zu früh, novemberdunkel. Maximilianeum und Friedensengel leuchteten vom Hochufer der Isar. Das Märchenschloss ihrer Kindheit und ihr goldener Schutzengel.
    Sie fühlte sich kraftlos. Die letzten Wochen des Jahres waren nicht ihre beste Zeit. Nie gewesen. Die Sonne fehlte ihr, die Nächte waren zu lang, und dabei hatte der Winter noch nicht einmal begonnen. Auch der Winter war nicht ihre Zeit, vor allem nicht in der Stadt.
    Vor der Wohnung des alten Emilio Gottberg blieb sie noch ein paar Minuten im Wagen sitzen, im Dunkeln machte sie Lockerungsübungen für Schultern und Nacken. Endlich stieg sie aus und klingelte an der Haustür.
    Lauras Vater freute sich, war aber überrascht und betrachtete seine Tochter forschend über seine Brille hinweg.
    «Immer noch nicht besser?»
    «Was, Babbo?»
    «Du weißt genau, was ich meine!»
    «Die Sache mit Luca? Das hab ich inzwischen verdaut.»
    «Ich meine nicht die Sache mit Luca!»
    «Ach das andere, Schwamm drüber! Ich bin einfach nur ein bisschen müde und freu mich drauf, eine Tasse Tee mit dir zu trinken.»
    «Na gut, dann trinken wir Tee.» Lauras Vater zuckte die Achseln und ging voraus in die Küche, um den Schnellkocher einzuschalten. «Was macht dein toter Gigolo?»
    «Er ist nicht auferstanden, und wer ihn umgebracht hat, weiß ich auch nicht.»
    «Interessiert es dich?»
    «Mittelmäßig.»
    «Hat er’s verdient?»
    «Möglicherweise.»
    «Der Gedichte wegen?»
    «Ach, Babbo. Das lässt dich nicht los, was?» Laura versuchte ein Lächeln.
    «Mach mir nichts vor, Laura. Dich lässt es auch nicht los! Hab ich recht?»
    «Ich weiß nicht, ob es die Gedichte sind … ja, vielleicht, zum Teil … es ist mehr dieser berechnende Missbrauch von Gefühlen. Und ich habe möglicherweise einen Fehler gemacht … einen professionellen Fehler … einfach, weil ich die emotionalen Verletzungen einer Frau zu sehr nachempfinden konnte, obwohl diese Frau alles versucht hat, diese Verletzungen vor mir zu verbergen. Hast du verstanden, was ich dir sagen will?»
    «So ungefähr. Willst du schwarzen Tee oder anderen?»
    «Schwarzen.»
    Lauras Vater legte sorgfältig einen Teebeutel in eine Henkeltasse und goss heißes Wasser darüber.
    «Ich trinke lieber ein Glas Wein», murmelte er. «Wenn ich Tee trinke, dann kann ich nicht schlafen.»
    «Ich würd auch lieber Wein trinken, aber ich muss fahren.»
    «Wenn deine Kinder ausgezogen sind, dann kannst du ja gelegentlich bei mir übernachten und auch ein Glas Wein trinken, nicht wahr? So hat alles seine Vorteile!» Der alte Gottberg schenkte sich Rotwein ein und setzte sich mit einem tiefen Seufzer.
    «Hast du schon gegessen, Babbo?»
    «Mach dir keine Sorgen. Ich esse immer dann, wenn ich Hunger habe. Heute Abend gab es Schafskäse mit Birnenscheiben und Honig. Das habe ich in Siena kennengelernt und es ist köstlich.»
    «Und wo hast du das alles her? Ich meine den Schafskäse und die Birnen?»
    Der alte Gottberg lachte in Lauras erstauntes Gesicht. «Wie du weißt, habe ich eine wunderbare Nachbarin, die mich nicht nur ab und zu zum Essen einlädt, sondern auch gern für mich einkauft. Es reicht völlig, dass ich einmal am Tag

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