Nachtgesang
Befehlen zu gehorchen, kämpfte er mit dem Ding... und tötete es! Er gewann den Kampf, aber verlor ein Auge, welches er auf seiner Schulter wieder anwachsen ließ.
Solcherlei Organe waren unterentwickelt. Einige Lords brachten absichtlich ein Extra-Auge am Genick an ... das genügte, um sie vor einem heimtückischen Angriff von hinten zu schützen. Die Augen hatten kein Lid, sodass sie zum Schlafen nie geschlossen werden konnten.
Ich erwähne all dies, um die Abscheulichkeit zu illustrieren, von der ich gesprochen habe. Aber die Lords – und gelegentlich auch Ladys –, die solche Veränderungen oder Verstümmelungen an sich vornahmen, waren oft die Schwächsten ihrer Art; sie verschandelten sich absichtlich, um im Kampf furchteinflößender zu wirken und diesen so vielleicht komplett zu umgehen.
Nehmen wir zum Beispiel Volse Pinescu, der Lord Grützbeutel genannt wurde, was sicherlich der unpassendste Name war, den man ihm geben konnte. Es war nämlich nicht nur eine Zyste. Volse war aller Wahrscheinlichkeit nach der Hässlichste aller Vampirlords. Lord Grützbeutel kultivierte haarige Leberflecke, nässende Geschwüre und angeschwollene Eiterbeulen, die sich im Gesicht und auf dem ganzen Körper ausbreiten durften, damit sein Anblick noch furchteinflößender wurde! Und warum? Weil weder saubere Männer noch Wesen sich trauten ihn anzugreifen aus Angst vor den Massen an Flüssigkeiten, die dann sicherlich austreten würden!
Selbst unter den ranghöchsten Vampir-Lords gab es solche wie Lesk und Volse. Aber es gab auch diejenigen, die keine solche Täuschungen und Verunstaltungen benötigten. Nephran Malinari war einer davon.
Er war eitel und schön ... ah, aber das war an sich auch schon Fassade. Denn das Hirn war hinter der schönen Maske ein Monster, das genauso monströs war wie sein Hirn. Verzeihung, ich konnte mir dieses kleine Wortspiel einfach nicht verkneifen. Aber zumindest seinem Aussehen nach zu urteilen war Lord Malinari weniger eine Bestie als vielmehr ein äußerst attraktives menschliches Wesen; er hatte, um die Wahrheit zu sagen, etwas ›Herrenhaftes‹ an sich. Aber dass etwas so Schreckliches so wunderschön sein konnte, das war die wahre Täuschung.
Zurück zu jener Nacht:
Sieben große Flugkreaturen waren am Rande eines breiten Felsvorsprungs gelandet, einem künstlichen Plateau in den Gebirgsausläufern, die das Vadastra-Territorium überschauten.
Malinaris Nebel (denn ihr könnt sicher sein, dass er der Urheber davon war) zog nach unten, um ihn und die Seinen einzuhüllen, breitete sich dann aus und sank hinab auf den Wald. Er vereinte sich dort mit weniger dichtem Nebel, der aus dem Boden und dem Wald selbst aufstieg, und schloss so unsere primitiven Häuser und die zentrale Lichtung ein. Überall um uns herum waberte ein Meer aus weißem, uns umspielenden Nebel: die Lichtung selbst war bedeckt von Bodennebel – aber er fühlte sich nicht wie natürlicher Nebel an, sondern wie ein fühlendes Wesen, das Übelkeit hervorrief. Er wirbelte und wand sich um die Hütten und lange nicht mehr benutzten, ausgehängten Wohnwagen. Malinaris Gedanken waren im Nebel; sie streckten ihre Sonden aus, suchten nach Verrat. Aber es gab keinen. Oder zumindest nicht gegenüber Malinari.
Der Wind war in Richtung Süden geflohen und die Nacht wieder still. Als der Nebel sich langsam auflöste, kamen die Flugkreaturen mit weit ausgestreckten, membranartigen Flügeln von dem Felsvorsprung herunter.
Die fliegenden Reittiere der Wamphyri sind monströse Kreaturen, und zwar nicht so sehr, weil sie sich bösartig verhalten, als viel mehr aufgrund ihres Aussehens und ihres natürlichen Verhaltens. Auf den ersten Blick scheinen sie riesige, langhalsige Fledermäuse mit besonders langen Schwänzen zu sein, aber bei näherer Betrachtung ... sieht man deutlich, dass sie aus Menschen gemacht sind!
Ihre Flügel haben enorme Spannweiten. Sie bestehen aus löchrigen, einst menschlichen Skeletten von Armen, Beinen und auf groteske Weise verlängerten Fingern und Zehen. All das lässt sich durch ihre grau-schimmernde äußere Hülle deutlich erkennen. Die Kreaturen haben riesige Herzen, um die Muskeln, die die großen Flügel bewegen, anzutreiben; abgesehen davon sind sie wenig mehr als Transportmittel mit elastischem Knorpelgewebe und hohlen Knochen in einer Hülle aus leichtem, mageren Fleisch. Kurzum: Sie sind hauptsächlich Flügel mit herzlich wenig Gehirn. Sie wurden geschaffen, um zu fliegen und zu gehorchen
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