Nachtgesang
Szgany-Vadastra sicher oder würde es ihr mit ihrer Mutter und ihrem Vater auf der Sternseite besser gehen? Anmutig wie sie war, würde sie wohl kaum als Nahrung enden; ja, mit etwas Geduld konnte sie sogar irgendwann eine Lady werden! Konnte es schlimmer sein mit den Wamphyri zusammen untot zu sein als unter der ständigen Angst zu leben, von ihnen verschlungen oder geholt zu werden? Und wie stand es mit einem Leben als Denunziant? Konnten er oder sie nicht im vollsten, wahrsten Wortsinn als Bittsteller in die rot-leuchtende Glut der Vampiraugen sehen und um Gnade flehen? Ich schätze, es war eine Kombination all dieser Gründe, die die verrückte oder intrigante Melana zu ihrem nächsten Schritt bewegte.
Der nächste Tribut war fällig und Dinu Vadastra hatte richtig geschätzt, dass Malinari mit seinen Leutnants aus Starside kommen würde. Es war einige Zeit her, dass das Hirn selbst sich dazu herabgelassen hatte, aus Malinshöhe über das Grenzgebirge in die samtige Nacht der Sonnseite zu kommen.
Der Himmel war klar und der Mond stand hoch; all die uns bekannten Sternbilder leuchteten durch den Rauch unserer Signalfeuer, während tief über den Grenzbergen der Stern des schlechten Omens, der Nordstern, welcher die Wamphyri-Festen bescheint, die Berggipfel in seinem silber-blauen, eisigen Glanz badete. Eine schöne Nacht, aye, für einige ...
... Wie sie es für mich hätte sein können, wäre da nicht die Liebe zu Nadia Zetra gewesen, an die ich mich inzwischen kaum mehr erinnern kann. Dennoch, ich kann sie nicht dafür verurteilen, denn ich bin sicher, dass sie nichts von den Plänen ihrer Mutter wusste. Wenn sie etwas gewusst hätte ... ist es viel wahrscheinlicher, dass wir vor unserem Schicksal geflohen wären, um als Einsiedler zu leben; oder wir wären in den Westen gereist und hätten uns einer Bande echter Traveller angeschlossen, die die ganze Zeit auf der Flucht vor den Wamphyri war; oder vielleicht wären wir glücklich gewesen, indem wir einfach für eine Weile die Freiheit genossen hätten, zusammen, sie und ich, und die Zukunft auf uns zukommen hätten lassen. Oh, so viele Möglichkeiten, wenn Nadia es nur gewusst hätte.
Und mein Vater; wenn er auch nur etwas vermutet hätte, ... dann hätte Melana ihr Leben lange bevor die ersten Flugkreaturen Malinaris den Boden der Vadastra betreten hatten, verwirkt. Aber natürlich wusste es keiner von uns, außer Melana selbst.
Also machte sie sich an die Vorbereitungen.
Alles verlief nach Plan. Als die Dämmerung einsetzte, befahl Dinu, dass der Tribut (oder auch die Tauschgüter zum Freikauf für das Leben des Vadastra-Clans) auf den auf Böcken stehenden Tischen an einer Seite der Lichtung platziert werden sollten, wo er sie wie gewohnt von seiner Liste abhakte. Sechs Fässer Öl, sechs mit Weiß- und sechs mit Rotwein; sechs des guten Pflaumenschnapses (alles davon war guter Pflaumenschnaps, ganz klar, da Malinari mitkam) und sechs weitere mit wildem Honig. Ein paar junger, frisch zerlegter Bergziegen, 15 Paar Tauben und 5 wilde Keiler; und ein ganz besonderes Geschenk: eine lebende, wilde Wölfin in einem Käfig und trächtig noch dazu! Die Wamphyri mögen Wolfsjunge ganz besonders, die in Muttermilch geröstet werden, und sie verspeisen mit Vorliebe Wolfsherzen sowie Wolfsfleisch generell, von dem sie schwören, dass es eine aphrodisierende Wirkung hat und ihre Langlebigkeit noch mehr fördert. Als ob sie so etwas bräuchten!
In der Zwischenzeit lief Dinus speziell auserwählter Trupp von Schläger-Burschen überall umher, um sicherzustellen, dass gewisse andere Abgaben der menschlichen Art nicht die Flucht ergriffen. Denn obwohl die Opfer schon feststanden, waren die armen Menschen noch nicht genannt worden aus Angst, dass sie sich in die Nacht davonstehlen würden. Als die Wahrheit verkündet wurde, hörte man überall im Lager das Weinen von Müttern und Töchtern, die Flüche der Männer und das Schluchzen ihrer Söhne, als einer nach dem anderen der verschiedenen aufgelisteten ›Namen‹ über ihr Pech bei Dinus Auswahl informiert wurde.
Einige waren natürlich bereits bekannt: die Unruhestifter in ihren Käfigen und die Außenseiter, die versehentlich das Vadastra-Territorium betreten hatten. Aber die drei Männer und Frauen und sechs Kinder aus dem Clan selbst wurden als Letzte aufgerufen, aus gerade genannten Gründen. Dann wurden sie von Dinus Schlägertrupp zusammengetrieben, in Ketten gelegt und geknebelt, bevor sie Beschwerden
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