Nachtgesang
bekannt, dass er sogar seine eigenen Kriegskreaturen angriff! Wenn sie zu lange brauchten, um auf seine Befehle zu reagieren, bekam er einen regelrechten Tobsuchtsanfall, forderte sie zum Kampf heraus und schlug sie gnadenlos nieder ... bevor er sie in seinen Metamorphosebottichen zu Brei zermalmte. Wenn sein Zorn abklang und seine Stimmung sich besserte, nahm er sich die Zeit, sie wieder neu zusammenzusetzen. Auch wenn der Vielfraß also nie als einer der großen Ränkeschmiede fungierte, so war er doch ganz sicher eine mächtige Kriegsmaschine.
Die Vampir-Lords waren nicht die Einzigen mit gewaltigen Kräften und monströsen Angewohnheiten. Viele Ladys der Sternseite waren sicherlich genauso voll böser Absichten und wesentlich verschlagener und heimtückischer in ihren Intrigen. Vavara, die sich auf Malinaris Seite stellte (wir werden sie noch kennenlernen, aye), war nur eine davon; es gab genug andere, die fast genauso bösartig waren, zum Beispiel Lady Jemma Freydastochter von der Hexenspitze.
Der Name ihrer Heimstätte spricht für sich. Jemma war eine Hexe und es gab nie eine, die älter, lüsterner, boshafter oder verschrumpelter war! So wie der Name ihrer Feste ihr Gemüt beschrieb, so beschrieb ihr Nachname ihre Herkunft, denn es gab nur eine Freyda unter den Wamphyri und das war Freyda Ferenc damals zu Zeiten von Shaitan dem Ungeborenen. Jemma Freydastochter kannte die Mythen, die man mit dem Frauennamen assoziierte; sie selbst stellte ihre eigenen merkwürdigen Angewohnheiten – ihre Marotten? – in Verbindung damit und behauptete, direkt von diesem uralten Geschlecht abzustammen. Normalerweise wäre dies ein Grund zum Streiten; die Wamphryi waren schlecht darin, Dinge aufzuzeichnen; da sie so lange lebten (einige von ihnen zumindest), war Geschichte für sie erst gestern passiert; sie sahen keinen Sinn darin, weiter zurückzuschauen als bis zu ihren direkten Vorfahren. Aber Jemma war vermeintlich über 700 Jahre alt! Da niemand sonst sich an diese frühe Zeit erinnern konnte, wer wagte es da schon, ihre Abstammung anzuzweifeln?
Obwohl also geschichtliche Aufzeichnungen, Ahnentafeln und Abstammungslinien unter Wamphyri selten waren, gab es doch einige äußerst langlebige Mythen. Die Mythen, die sich um Freyda Ferenc rankten, waren von dieser Art, wenngleich die Lady selbst schon lang im Jenseits weilte. Sie war augenscheinlich eine Ferenczy gewesen, was an sich Jemmas Behauptung schon Authentizität verlieh, dadurch, dass die Ferenczys in jedem Mythos und jeder Legende (oder zumindest in den wenigen, die existierten) vorkamen, selbst in den ältesten. Und was Jemmas Vorlieben anging, schien es sicher, dass etwas von Freydas Blut sich über die Jahrhunderte auf sie übertragen hatte. Denn Freyda Ferenc war von hässlichster Gestalt gewesen, ein wahrer Troll, mit der dicken Haut eines Trogs und den Fangzähnen einer Kriegskreatur! Männer, sogar die mächtigsten Lords, wichen vor ihr zurück (genau wie vor ihrem Geruch, denn sie wusch sich nie). Sie fand nämlich abscheuliches Vergnügen daran, mit ihrem Geschlecht männliche wie weibliche Untergebene zu ersticken! Das an sich war schon genug, um sie zu ihrer Zeit zu einer Legende und zu meiner Zeit zu einer mythischen Gestalt werden zu lassen ... aber da war noch mehr.
Freyda war eine der wenigen glücklichen Ausnahmen: eine Vampirmutter, die, als sie schwanger war und kurz vor der Niederkunft stand, 100 Eier produzierte und davon so ausgezehrt war, dass sie verwelkte wie eine Blume und verschied. Ihre Brut erkrankte und starb ebenfalls, bis auf ein Ei. Das einzige überlebende Ei verschmolz mit Bela Manculi, einem Szgany-Knecht. Bela wurde zum Erben der Freydashöhe.
Und jetzt zum letzten Beweis für Jemmas Abstammung, falls ein solcher gebraucht wird: Ihr Erzeuger war Lord Bela Belari oder ›Belas Sohn‹, selbst ein uralter Vampir, was Jemma zu einer Ur-Urenkelin von Freyda Ferenc machen könnte! Jedenfalls, da sie den Namen ihres Vaters verabscheute, war ›Freydastochter‹ der, bei dem sie sich seit 35.000 Sonnaufs rufen ließ. Während dieser Zeit hatte ihre Lebensweise mehr als genug ihren Anspruch auf die maliziöse Ahnenreihe, zu der sie sich gehörig fühlte, untermauert ...
Ich bin abgeschweift! Aber ich glaubte, euer Schweigen als Interesse deuten zu können ...
... Doch auf der anderen Seite habe ich auch eure Ungeduld gespürt, deshalb lasst mich fortfahren, aber bevor ich dies tue, muss noch ein anderer Lord aus dieser Zeit
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